#
Wirtschaft

Gekommen, um zu bleiben

1.6.2023

Was gute Arbeitgeber ausmacht? (Monetäre) Wertschätzung.

Nicol Papes, Jahrgang 1997, ist technische Zeichnerin bei Fiegl+Spielberger. Sie arbeitet seit zehn Jahren im Unternehmen und hat auch vor, die nächsten zehn zu bleiben. Ins Unternehmen kam sie über einen Bekannten, der selbst hier gearbeitet hat. Papes absolvierte die Polytechnische Schule, schnupperte im Zuge einer Berufswoche ins Unternehmen – und blieb. 2013 startete sie ihre Lehre zur Elektrotechnikerin, war während ihrer Ausbildungszeit vorwiegend auf den unterschiedlichsten Baustellen zwischen Imst und Wörgl tätig. Nach der positiv absolvierten Lehrabschlussprüfung bekam sie die Möglichkeit, ins Büro zu wechseln, machte Kurse am WIFI, aktuell arbeitet sie in der Starkstrom-CAD-Abteilung als technische Zeichnerin.

Technikaffin sei sie schon immer gewesen, erzählt sie: „In der Volksschule waren wir zehn Kinder, drei davon Mädels. Mit den anderen beiden hab ich mich nicht so gut verstanden und war immer eher mit den Buben unterwegs, habe lieber die groben Sachen gemacht. Ich war in der Hauptschule das erste Mädchen, das Buben-Werken gegangen ist. Nähen und stricken wollte ich nie.“ Folglich hat Papes auch im Poly den Technikzweig gewählt. Dass sie jetzt im Büro arbeitet, hat übrigens ebenso pragmatische wie weitblickende Gründe: „Ich würde irgendwann gerne Kinder bekommen und dann wieder ins Unternehmen zurückkehren. Es ist allerdings schwierig, als Elektrikerin Teilzeit zu arbeiten. Ehrlich gesagt, kenne ich keinen einzigen Teilzeit-Elektriker. Das ist sicher noch ein Problem in vielen technischen Berufen“, sagt Papes, selbst wenn man bei Fiegl+Spielberger viel versucht, um den Mitarbeiterinnen zahlreiche Optionen zu eröffnen. Viele Mütter kommen nach der Geburt wieder zurück ins Unternehmen, doch es ist nicht immer leicht, eine passende 20-Stunden-Stelle für sie zu finden. „Es ist verständlich, dass man mit kleinen Kindern nicht unbedingt Vollzeit arbeiten möchte. Wir versuchen natürlich, entsprechende Strukturen oder ein passendes Umfeld zu schaffen, doch es ist oft ein Kraftakt. Manchmal ist es nötig, die Abteilung zu wechseln“, ergänzt Armin Löschnig, zuständig für die Personalentwicklung bei Fiegl+Spielberger.

Wenn man als junge Mitarbeiterin derart lange in ein und demselben Unternehmen tätig ist, sagt das einiges über den Betrieb aus. Üblich ist das heute längst nicht mehr. Für Nicol Papes ist das vor allem ein Ergebnis vielschichtiger Wertschätzung. Auch monetärer Art. „In vielen Betrieben muss man mittlerweile für die Arbeitskleidung bezahlen. Hier bekommen wir alles, was wir brauchen. Auch bei Urlauben gab es nie Diskussionen, die Arbeitszeiten sind – wenn es das Projekt erlaubt – flexibel, wir machen Betriebsausflüge, Weihnachtsfeiern und einiges mehr. Man tut wirklich viel für die Mitarbeiter.“ Nicol Papes ist zudem bei der Freiwilligen Feuerwehr in Polling tätig, muss sie zu einem Einsatz, ist es selbstverständlich, dass man ihr die Zeit dafür einräumt. „Wir Mitarbeiter werden gesehen und als wichtige Stütze für das Unternehmen wahrgenommen und das finde ich sehr schön. Wir sind keine Nummer, auch der Betriebsrat kümmert sich gut.“

Auch in Sachen Aus- und Weiterbildung können die Mitarbeiter*innen aus dem Vollen schöpfen. „Wenn eine Aus- oder Weiterbildung Sinn macht, ist es für uns selbstverständlich, die Kosten dafür zu übernehmen“, sagt Armin Löschnig. „Es ist auch im Interesse des Unternehmens, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer auf dem neuesten Stand sind.“ Diese danken es, indem sie zu einem großen Teil lange im Unternehmen bleiben. Vor kurzem ging ein Mitarbeiter nach 48 Jahren bei Fiegl+ Spielberger in Pension, Löschnig selbst ist seit 16 Jahren hier: „Es ist für uns wichtig, die Mitarbeiter im Unternehmen zu halten, denn das heißt, dass auch das Know-how hier bleibt.“

Veränderte Bedürfnisse

Durch die jahrelange Zusammenarbeit entstehen immer wieder private Freundschaften. Dass man bei rund 560 Mitarbeiter*innen nicht mit jedem auf ein After-Work-Bier gehen möchte, ist klar, doch unterm Strich stimmen Klima und Unternehmenskultur. „Wir sind zu viert in unserer Abteilung und lachen viel gemeinsam. Auch Freundschaften, die im Unternehmen entstehen, binden uns an die Firma.“

Generell gilt es, sich auf die Bedürfnisse seiner Mitarbeiter*innen vermehrt einzustellen. „Das Thema Work-Life-Balance wird immer präsenter, vor allem in der Generation Z. Darauf müssen wir als Arbeitgeber reagieren“, sagt Löschnig. Arbeit muss, darf und soll Spaß machen. Das Gesamtpaket muss stimmen. Und man muss ehrlich sein: „Wir hatten Mitarbeiter, die gekündigt haben und wiedergekommen sind, weil der neue Arbeitgeber nicht eingehalten hat, was er zugesagt hatte. Wir versprechen nichts, was wir nicht halten können, und wenn wir einen Fehler machen, versuchen wir, ihn sofort zu korrigieren. Ich erzähle jedem potenziellen und neuen Mitarbeiter von all den guten aber auch weniger guten Seiten seines Jobs. Es bringt nichts, etwas zu beschönigen und überall nur Sonnenschein zu sehen.“

Gerade in einer Situation wie der aktuellen, wo sich der Arbeitgeber- hin zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt hat, braucht es eine offene und authentische Kommunikation. „Als ich meine Lehre begonnen habe, hat Fiegl+Spielberger noch mich ausgesucht. Jetzt ist es sehr oft umgekehrt. Der Mitarbeiter sucht sich seinen Arbeitgeber aus“, beobachtet auch Papes aus der Arbeitnehmerposition. „Man bewirbt sich bei den Mitarbeitern und nicht umgekehrt.“ Das gilt gleichermaßen für Lehrlinge, die immer spärlicher werden.

Generell ist das Image der Lehre nach wie vor ein schwieriges – zu Unrecht. Viel zu oft wird Intelligenz noch immer mit formaler Bildung gleichgesetzt. „Diese Leute sollen sich die Lehrabschlussprüfung eines Elektrotechnikers anschauen, dann reden wir weiter. Das ist echt nicht ohne“, kontert Papes. „Ich lerne wirklich leicht, aber das klassische Schulsystem war einfach nichts für mich.“ Lehrlinge auszubilden, ihnen die nötige Unterstützung zu geben, zu lernen und sich zu entwickeln, auch das ist eine Form der Wertschätzung. Als zusätzlichen Anreiz schüttet Fiegl+Spielberger entsprechende Prämien für gute Zeugnisse und Erfolge aus. Leistung wird honoriert, auf allen Ebenen.

Was Papes an ihrem Beruf mag? „Die Technik bleibt nicht stehen, die Spielwiese wird immer größer. Es bleibt also stets interessant und spannend und wir bekommen jegliche Unterstützung, um mit diesen Veränderungen mitzugehen. Ideen von uns Mitarbeitern werden gehört und angenommen, viele davon auch umgesetzt.“ Und auch wenn sich Nicol Papes in ihrem Beruf wohl und angekommen fühlt, so hätte sie sich dennoch gewünscht, in der Schule mehr über verschiedene Berufsbilder zu erfahren. „Es gibt heute so viel Auswahl, das meiste davon wissen Jugendliche jedoch nicht. Es ist auffällig, dass sich in der vierten Klasse Hauptschule zahlreiche höherbildende Schulen bei uns vorgestellt haben, aber eine Lehre war nie ein Thema. Das sind genau die Facharbeiter, die uns jetzt fehlen.“ 

Text: Marina Bernardi
Fotos: Andreas Friedle

Um diesen Beitrag weiter zu lesen,
bestellen Sie bitte die aktuelle Printausgabe.

Ausgabe kaufen
Mehr erfahren
Hier kommen Sie zur Ausgabe
news.
letter

Newsletter

Mit dem kostenlosen Newsletter keine spannenden Beiträge mehr verpassen!
Pünktlich zum Erscheinen jeder Ausgabe gibt's vier Artikel in voller Länge.
Jetzt ANmelden
alle.
ausgaben
Mehr erfahren
Spezial: Architektur April 2024
04/2024

Spezial: Architektur April 2024

Jetzt bestellen
Online lesen
Wirtschaftsmagazin April 2024
03/2024

Wirtschaftsausgabe April 2024

Jetzt bestellen
Online lesen
Spezial: Lifestyle März 2024
03/2024

Spezial: Lifestyle März 2024

Jetzt bestellen
Online lesen
Wirtschaftsmagazin Februar 2024
02/2024

Wirtschaftsausgabe Februar 2024

Jetzt bestellen
Online lesen
Mehr erfahren
Erstellt von MOMENTUM
schließen