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Wirtschaft

Heimliche Helden

2.2.2024

Die vergangenen Jahre haben uns eindrücklich vor Augen geführt, wie sehr die gesamte Welt (wirtschaftlich) untereinander verwoben ist. Der Erfolg des einen bedingt den Erfolg des anderen. Wir brauchen ein gesundes, globales Miteinander, um auch die regionalen Wirtschaftskreisläufe zu stärken. Viele heimische Unternehmen könnten ohne internationale Kundinnen und Abnehmerinnen langfristig nicht existieren. Der Export von Waren und Dienstleistungen heimischer Unternehmen ist nicht nur für diese selbst gewinnbringend, sondern auch ein wichtiger Faktor für Tirol als Wirtschaftsstandort.

Laut Tiroler Außenhandelsstatistik lag das Exportvolumen im ersten Halbjahr 2023 bei 8,4 Milliarden Euro, demgegenüber wurden Waren im Wert von 8,1 Milliarden Euro importiert. National stehen Exporten im Wert von 102,2 Milliarden Euro Importe von 105,6 Milliarden gegenüber. Kurzum: Tirol und Österreich können nicht ohne die Welt – in beiden Richtungen. „Produkte und Dienstleistungen ‚made in Tirol‘ sind trotz schwieriger Rahmenbedingungen weltweit erfolgreich. Allein in den vergangenen zehn Jahren ist das Tiroler Exportvolumen um mehr als 50 Prozent gewachsen – Tendenz weiter steigend“, so Wirtschaftskammer-Präsidentin Barbara Thaler. „Der Export zählt zu den wichtigsten Wachstumsmotoren der heimischen Wirtschaft. Die Tiroler Unternehmen werden 2023 wieder mehr als 16 Milliarden Euro auf ausländischen Märkten erwirtschaftet haben“, präzisiert Gregor Leitner, Leiter der Abteilung Außenwirtschaft der Wirtschaftskammer Tirol. Klassischerweise landen die meisten Exporte bei den direkten Nachbarn, da macht auch Tirol keine Ausnahme. Fast ein Drittel aller Waren und Dienstleistungen gehen nach Deutschland, gefolgt von der Schweiz und Liechtenstein sowie Italien. Im ersten Halbjahr 2023 konnten mit 2,7 Milliarden Euro und sohin einem Plus von 13,3 Prozent die Exporte nach Deutschland nochmals stark zulegen, überdurchschnittlich gestiegen sind auch jene in die Vereinigten Staaten. Konkret um 9,4 Prozent von rund 373 auf 408 Millionen Euro.

Tatsächlich ist Tirol Heimat zahlreicher globaler Player. Im Schnitt verzeichnet Tirols Industrie eine Exportquote von 73 Prozent, in manchen Unternehmen liegt diese bei weit über 80 bis hin zu fast 100 Prozent. Wie etwa im Fall des Unterländer Gartengerätespezialisten STIHL, dessen Produkte zu 98 Prozent ins Ausland gehen. Die Schwazer Adler Lacke exportieren rund 70 Prozent, die Montanwerke Brixlegg 80 Prozent und die Thöni Industriebetriebe knapp 90 Prozent ihrer Waren. Auch bei Lindner Traktoren sind es vor allem die Absatzmärkte Frankreich, Deutschland und die Schweiz, die die besten Entwicklungen verzeichnen. Einige (Industrie-)Unternehmen Tirols sind Weltmarktführer oder ganz nah dran. Neben den Platzhirschen Swarovski, Plansee, Sandoz, Tyrolit oder Med-El, die als nicht mehr ganz so heimliche, sondern ziemlich sichtbare Helden gelten, sind es Namen wie 3Con als Zulieferer und Partner für die Automobilbranche, die Beleuchter MK Illumination, das traditionsreiche Metallwerk F. Deutsch in der Innsbrucker Rossau, die Outdoormarke Kohla, die Vomper Visualisierungspezialisten Vizrt oder die exceet Card Group aus Kematen, in deren Sog noch viele weitere hierzulande teils wenig bekannte Unternehmen die Märkte dieser Welt erobern.

In der Tat machen sich viele Nischenplayer internationale Dynamiken zunutze und erobern ihre Märkte in der Fremde und Ferne. Mit spezialisiertem Know-how, Innovationskraft, Exzellenz, Flexibilität und Agilität sowie einer gehörigen Portion Mut. Ihre Ideen haben diese Firmen interessant gemacht, ihre permanente Qualitätsorientierung ihren Status in der Welt etabliert. Dabei wirkt das Zertifikat „made in Tirol“ auch nach innen, denn es schafft hochwertige Arbeitsplätze mit meist hoher Krisenresistenz. In den Betrieben arbeiten echte Könner, Spezialistinnen eben, und mit jeder kleinen Expansion nimmt auch das Know-how im Land zu. Technisch wie menschlich, denn der Erfolg vieler Unternehmen ist geprägt von einer starken Firmenkultur, die vor allem für die Kleinen von Beginn an existenziell ist. Wenn sich die Mitarbeiterinnen mit den Unternehmenszielen identifizieren können, arbeiten sie engagiert an deren Umsetzung. Eine positive Arbeitsatmosphäre und ein prägendes Gemeinschaftsgefühl tragen dazu bei, dass diese Unternehmen selbst in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten erfolgreich agieren können. Ziehen alle mit, läuft der Laden. Das gilt für die bekannten Industriespezialisten genauso wie für die so genannten Hidden Champions, die sich abseits der breiten Masse ohne großes öffentliches Brimborium an die Weltspitze gearbeitet haben.

Erfolgreich in der Nische

Geprägt wurde der Begriff der Hidden Champions erstmals 1990 vom deutschen Wirtschaftswissenschaftler Hermann Simon, der damit relativ unbekannte meist mittelständische Unternehmen beschreibt, die in ihren Nischenmärkten weltweit führend tätig sind, dabei aber oft wenig öffentliche Aufmerksamkeit erhalten. Oftmals kommt ihnen dies gar nicht ungelegen.

So unterschiedlich die Unternehmen sind, so zeichnet sie alle ihr hohes Maß an Spezialisierung aus. Indem sie sich auf ihre Nische konzentrieren, können sie ihr Wissen bündeln und sich entsprechend als Experten etablieren. Dieser Fokus ist nicht ungefährlich, das hohe Maß an Qualität und Technologieführerschaft belohnt allerdings mit starker Kundenbindung. Durch ihre meist geringe(re) Größe sind die Unternehmen in der Regel flexibler und agiler als große Konzerne, die sich deren Expertise deshalb gerne zukaufen. Kleine, wendige Unternehmen können schneller auf Veränderungen in ihrem Markt reagieren, sich an neue Gegebenheiten anpassen und Technologien, Produkte und Verfahren rascher weiterentwickeln.

Schaut man tiefer in das Wesen jener Unternehmen, wird man dort auf eine Vielzahl von Sprachen treffen, doch eine sprechen sie alle: die der Innovation. Hidden Champions investieren stark in Forschung und Entwicklung. Diese ihre Innovationskraft ermöglicht es ihnen, Trends frühzeitig zu erkennen und sie für sich zu nutzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Gleichzeitig sind sie meist stark in der Region verwurzelt und legen Wert auf nachhaltiges Wirtschaften – auf ökologischer wie sozialer Ebene. Trotz internationaler Ausrichtung prägen sie auch die regionale Identität und machen Tirol zu einem Land, das weit mehr ist und kann als Tourismus.


Text: Marina Bernardi

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