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Zukunft

Hochtechnologie

2.2.2024

Heute wird in Analogie zur Biologie auch in der Wirtschaft häufig von einem Ökosystem gesprochen. Dort, wo es bereits Hochtechnologie gibt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich andere Hightech-Unternehmen dazugesellen, wesentlich höher als auf der grünen Wiese. Wobei es so viel grüne Wiese, die als Gewerbe- und Industriegebiet genutzt werden könnte, in Tirol bekanntermaßen gar nicht gibt. Doch was ist denn nun eigentlich diese Hoch- bzw. Spitzentechnologie?

Dafür gibt es unterschiedliche Definitionen. Eine davon findet sich in einer umfangreichen Studie, welche die auf Standortanalysen spezialisierte deutsche Contor GmbH 2019 erstellt hat. Dabei wurden 1.342 EU-Regionen auf ihre Eignung als Standort für Hochtechnologieunternehmen befragt. Unter Hochtechnologie werden in dieser Studie Bereiche des verarbeitenden Gewerbes aufgefasst, die der Mittleren Hochtechnologie und der Hochtechnologie zugeordnet werden, sowie wissensintensive Dienstleistungen mit hohem Technologieniveau. Der springende Punkt dabei ist, dass es das typische Hochtechnologieunternehmen eigentlich gar nicht gibt. „Hochtechnologie findet sich in vielen Branchen und Wirtschaftszweigen, in kleinen und in großen Unternehmen. Genauso unterschiedlich wie die Hochtechnologie ausfällt, stellen sich auch die Anforderungen von Unternehmen dar. Diese Anforderungen hängen nicht nur von der Branche ab, sondern auch von den Produkten, den belieferten Märkten und von unterschiedlichen Unternehmensphilosophien”, heißt es in der Studie. Den einzelnen, ultimativen Hightech-Standort, der alle Stückerl spielt und für alle Bedürfnisse der richtige ist, gibt es also nicht, ebenso wenig wie das typische Hochtechnologieunternehmen. Was Tirol zu einem guten Boden für Hightech macht, weiß Marcus Hofer, Geschäftsführer der Standort-
agentur Tirol, der naturgemäß für den Wirtschaftsstandort die Werbetrommel rührt: „Es sind unterschiedliche Faktoren, die wichtig sind, um Unternehmen generell und im Speziellen im Hochtechnologiebereich einen guten Nährboden für ihre Entwicklung zu bieten. Tirol bietet beispielsweise die Lage in unmittelbarer Nähe zu den Zentralräumen Süddeutschland, Norditalien und Schweiz. Des Weiteren ist es eine starke Bildungs- und Ausbildungslandschaft von höheren Schulen bis hin zu den Hochschulen. Unternehmen profitieren zudem von einer erstklassigen Infrastruktur, einzigartiger Lebensqualität sowie einer attraktiven Förderlandschaft. Als Standortagentur Tirol unterstützen wir mit unseren Dienstleistungen die Unternehmen, damit sie ihre Innovationstätigkeit steigern können. Insbesondere profitieren diese von der Partnerschaft zwischen Unternehmen einerseits sowie Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen andererseits.“ Tirol hat also, folgt man den Ausführungen Hofers, durchaus einiges auf der Habenseite zu verbuchen. Im Landl gibt es zudem eine erkleckliche Anzahl von Hidden Champions, auch im Bereich der Hochtechnologie, die meisten davon allerdings wohl deshalb, weil sie immer schon hier waren und nicht, weil sie sich speziell hier niedergelassen hätten.

Enge Gestaltungsräume

Im Hinblick auf gewisse Rahmenbedingungen sind die Gestaltungsmöglichkeiten, die der Wirtschaftsstandort Tirol hat, enden wollend. Manches kann politisch vom Landhaus aus nicht direkt beeinflusst werden – Steuern sind weit überwiegend Bundesangelegenheit –, die Topografie, die verhältnismäßig wenig Raum zur ökonomischen Entfaltung lässt, ist seit der Auffaltung der Alpen ein noch viel unabänderlicherer Fakt, mit dem man zurande kommen muss.

Der alpine Charakter des Landes mit seinen urbanen Einsprengseln, insbesondere im Inntal, hat aber auch seine Vorteile. An erster Stelle ist die Lebensqualität zu nennen, und zwar das ganze Jahr hindurch und insbesondere für jene Menschen, die einen sportlich-aktiven Lebensstil pflegen. Nicht umsonst zählt Tirol zu den beliebtesten Tourismusdestinationen Europas, und für hochqualifizierte Arbeitskräfte, die gerade in der Hochtechnologie en masse gebraucht werden, kann sich der schon etwas verlebte Claim „Arbeiten, wo andere Urlaub machen” durchaus bewahrheiten. Ein Blick auf die Umstände legt außerdem die Vermutung nahe, dass Tirol hinsichtlich der sogenannten weichen Standortfaktoren besser aufgestellt ist als bei den harten Fakten, die aber für die Standortwahl nicht ganz unwichtig sind. Verschiedentlich wird argumentiert, dass die Bedeutung weicher Standortfaktoren tendenziell zunehmen würde, weil gerade im mitteleuropäischen Raum heute alle wichtigen harten Standortfaktoren überall gleichermaßen vorhanden seien. Sollte das tatsächlich so sein, ist das für den Standort Tirol uneingeschränkt positiv zu sehen. Marcus Hofer – der Jurist ist seit 2017 Geschäftsführer der Standortagentur Tirol und damit oberster Standortwerber – 
schätzt diese weichen Standortfaktoren ebenfalls als etwas ein, „mit dem Tirol definitiv schon heute punktet. Dies vor allem auch im Hinblick auf das Anwerben von internationalen Fachkräften, weil sie von der Lebensqualität im Land begeistert sind. Das allein reicht natürlich nicht aus, um nachhaltiges Wachstum am Standort sicherzustellen. Es braucht den Mix aus weichen und harten Standortfaktoren.“

Harte Fakt(or)en

Bei diesen harten, messbaren Standortfaktoren zeigt sich die ebenso harte Realität, die sich – vielleicht abgesehen von den räumlichen Limitierungen in Tirol – andernorts in Österreich auch nicht viel anders darstellt. Am Arbeitsmarkt gibt es bereits heute deutliche Engpässe, bei hochqualifizierten Tätigkeiten wird der Flaschenhals namens Arbeitskräftereservoir sogar noch einmal enger. Das dürfte sich in Zukunft noch verschärfen, wenn beim Arbeitsmarktzugang für qualifiziertes Personal nicht bessere Möglichkeiten als die überschaubar beliebte Rot-Weiß-Rot-Karte geschaffen werden und bei der ausbaufähigen Willkommenskultur nicht bald ein anderer Wind weht. Sicher, Tirol braucht Touristen, die Geld im Land lassen, Tirol braucht aber vor allem auch qualifizierten Zuzug. Menschen, die ihre Arbeitskraft hier investieren und ihren Lebensmittelpunkt nach Tirol verlagern. Und zwar am besten unkompliziert und unbürokratisch. „Es gab bei der Rot-Weiß-Rot-Karte in letzter Zeit bereits einige Verbesserungen. Am Ende ist es jedoch eine politische Frage, wie qualifizierter Zuzug nach Österreich gestaltet werden soll“, spielt Marcus Hofer den Ball an die hohe Politik weiter.

Man sollte sich keinen großen Illusionen hingeben, das gesellschaftliche Klima wird in Zukunft – glaubt man den Sonntagsumfragen – nicht offener werden. Ein international geprägtes Umfeld sieht man in der Standortagentur aber nicht zwangsläufig als Grundvoraussetzung, um ein guter Hightech-Standort sein zu können. „Unsere Erfahrung zeigt, dass sich Hightech-Unternehmen aufgrund der Besonderheiten Tirols sehr wohl fühlen. Es geht weniger darum, international aufgestellt zu sein, sondern darum, nationale und internationale Märkte bearbeiten zu können und gleichzeitig von den spezifischen Tiroler Gegebenheiten zu profitieren“, sagt Hofer.

Damit im Inntal zukünftig als Draufgabe zum Föhn auch ein Hauch von Silicon Valley spürbar wird, müssen fortlaufend ein paar Hausaufgaben gemacht werden: „Dafür ist es essentiell, erstens die Kooperation zwischen etablierten Unternehmen und Start-ups zu fördern, zweitens muss auch die Vernetzung zwischen Forschung und Wirtschaft forciert werden, so wie das ja im Bereich der Clusterunternehmen der Standortagentur Tirol und den Tiroler Hochschulen schon passiert“, führt Hofer aus. Mit seiner gut beleumundeten und durchaus vielfältigen Hochschullandschaft hat Tirol zweifellos ein Ass im Ärmel. Weiter: „Es braucht genügend hochqualifizierte Fachkräfte.“ Mit dem Projekt „Tirol. Mehr vom Leben – Attraktiver Arbeitsraum“ helfe die Standortagentur Tirol ganz gezielt mit, MINT-Fachkräfte nach Tirol zu holen oder hier zu halten. „Davon“, ist Marcus Hofer überzeugt, „werden unmittelbar auch IT-Unternehmen im Land profitieren.“

Die Standortagentur Tirol sei „grundsätzlich damit beauftragt, insbesondere Betriebe aus den Bereichen Digitalisierung und Life Sciences anzuwerben.“ Doch das ist längst nicht alles. Es gilt auch, die bestehenden Unternehmen in Tirol bei Laune zu halten, meint Hofer: „Als noch viel wichtiger betrachte ich die Stärkung der heimischen Unternehmen in diesem Bereich, sodass diese nachhaltig wachsen können.“

Quantensprünge hausgemacht

International herausragende Voraussetzungen hat Tirol im Bereich der Quantenphysik. Es gilt nun, das auf universitärer Ebene erzeugte Grundlagenwissen in die wirtschaftliche Anwendung zu übersetzen. Wo geforscht wird, muss nicht gleichzeitig das große Geschäft gemacht werden. Um zumindest ein Quantum an globaler Wertschöpfung abzugreifen, die zukünftig auf Basis des Know-how aus Tirol generiert werden könnte, sind mit der Alpine Quantum Technologies GmbH und der Parity Quantum Computing GmbH bereits zwei Start-ups im Quantenbereich aus der Taufe gehoben worden. „Dazu ist uns jetzt auch noch eine Ansiedlung gelungen. Wenn ich mir andere Regionen anschaue, dann spielen wir hier in diesem Bereich ganz vorne mit. Und die Erfolge dieser beiden Start-ups passieren aus Tirol heraus. Deshalb bin ich optimistisch, dass hier auch große Unternehmen entstehen können“, zeigt sich der Geschäftsführer der Standortagentur hoffnungsfroh, dass Tirol seine diesbezügliche Vorreiterrolle behaupten können wird.

Grün ist die Hoffnung

Als ökologische wie ökonomische Hoffnungsträger – auch eingedenk eines drohenden Klimakollapses – gelten grüne Technologien. An einem Green-Tech-Boom möchte man natürlich auch in Tirol mitnaschen. „Wichtig ist dafür in erster Linie, dass wir Grundlagen schaffen. Eine entscheidende Rolle spielen hier wiederum die Hochschulen bzw. Universitäten, da sie Ausbildungs- und Forschungsschwerpunkte in den Bereichen Nachhaltigkeit und grüne Technologien haben – dank Themen wie dem energieeffizienten Bauen, dem Holzbau, der Wasser- und Abwasserbewirtschaftung, Biotechnologie, Ökologie sowie der Umwelt-, Energie- und Verfahrenstechnik oder dem Nachhaltigkeits- und Energiemanagement ist ein sehr breites grünes Spektrum vertreten“, elaboriert Hofer. Zusätzlich gestärkt würden diese Schwerpunkte durch die Vernetzung der unterschiedlichen Player. „Einerseits sind Hochschulen Partner für Unternehmen im Bereich F&E, andererseits unterstützen wir vonseiten der Standortagentur Tirol mit dem Tiroler Cluster ‚Erneuerbare Energien‘ sowie dem österreichweiten Cluster ‚Hydrogen Partnership Austria‘ den Know-how-Transfer, die Anbahnung von Kooperationen und Ähnliches, um Innovationen im Bereich nachhaltiger Technologien zu fördern.“ Zudem gibt es, wie Marcus Hofer ausführt, auch bereits verschiedene Projekte, die sich explizit dieser Thematik verschrieben haben: „Mit dem Reallabor INNERGY entsteht eine Innovationsdrehscheibe zur Beschleunigung der Energiewende in Tirol. Und mit dem Circular Hub Tirol wurde im vergangenen Jahr die zentrale Anlaufstelle für Kreislaufwirtschaft geschaffen, die für nachhaltige Technologien eine ebenso entscheidende Rolle spielt. Somit ist der Standort Tirol in seinen Stärkefeldern im Bereich nachhaltige Technologien gut aufgestellt.“

Es gibt also sehr wohl einiges, was für den Standort Tirol spricht. Neben den klassischen, für Unternehmen wichtigen Faktoren wie Steuerbelastung, Einkommensniveau und Produktivität spielt auch der Zugriff auf wissensintensive Dienstleistungen mit hohem Technologieniveau eine besondere Rolle. Hier steht Tirol gut da. Das Land ist also gesamthaft betrachtet auch für die Hochtechnologie ein durchaus guter Boden, der mit hoher Lebensqualität und einer sehr guten Verschränkung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft punkten kann.


Text: Marian Kröll

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