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Life

Bauen für Gäste

26.4.2024

Jedem Ort wohnt ein ihn angeborenes, ureigenes Potenzial inne. Manchmal ist es fast unmittelbar greifbar, schimmert ungeduldig unter der Oberfläche und wartet nur darauf, ans Licht geholt zu werden. Oftmals schlummert es tief verborgen, versteckt sich scheu oder ist im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten. Dann bedarf es Menschen mit feinem Blick und Gespür für das Wesen eines Ortes für ungeschliffene Diamanten und gewagte Möglichkeiten. Seit 2007 sammelt das Portal www.urlaubsarchitektur.de diese besonderen Urlaubsorte in Europa – vom verwunschenen Pyrenäenschloss mit modernem Twist zum Têtê-à-Têtê von Sichtbeton mit einem alten Bauernhaus, von der einsamen Holzhytte unter tanzenden Nordlichtern zur gebauten Hommage an die Zeitgeschichte eines stillen Tals. Ein Reinklicken lohnt sich.

Wir haben mit Michael Oberhofer, teilhabender Geschäftsführer der Unternehmensgruppe für Tourismus HMM mit den Agenturen Brandnamic und MTS Austria GmbH, der Immobilienwerkstatt sowie der Softwarefirma Yanovis mit insgesamt über 160 Mitarbeiter*innen, darüber gesprochen, was gelungene Hotelarchitektur ausmacht und was spannende Hotels trotz ihrer individuellen Charaktere eint.

eco.nova: Ansprüche an die Urlaubsdestination sind je nach Gast höchst unterschiedlich. Gibt es jedoch Aspekte, die alle Gäste eint und die man in der Hotellerie (architektonisch) unbedingt berücksichtigen sollte? Michael Oberhofer: Nun, der allererste Zweck von Urlaub ist jener, sich zu erholen, eine Zeitlang etwas anderes als das Gewohnte zu erleben und – immer häufiger – eine intensive Zeit zu verbringen, die einem als Gast nicht nur für den Moment etwas bringt, sondern nachhaltig wirkt. Will heißen, die einen transformativen Charakter hat und lange positiv nachwirkt. Dem muss die Hotellerie in allen Bereichen und folglich auch in der Architektur Genüge leisten. Menschen und ihre Bedürfnisse sind unterschiedlich. Ich finde, eine gelungene Hotelarchitektur sollte heute durch ein ausgeklügeltes Konzept unbedingt Raum schaffen, der allen Gästen ausreichend Platz bietet, und zwar physisch als auch als Raum der Imagination, in dem sich Träume, Wünsche und Erinnerungen ausbreiten können. Hotelarchitektur soll den Ort, in den sie eingebettet ist, einbeziehen – etwa durch Verwendung lokaler Materialien – und die umgebende Natur oder Umgebung nach innen holen, sei es durch große Fensterfronten oder andere architektonische Lösungen. Außerdem gewinnt eine nachhaltige Bauweise immer mehr an Bedeutung. Viele Gäste bemühen sich, der Umwelt möglichst keinen weiteren Schaden zuzufügen.

Welche Rolle spielt das Farb- und Lichtkonzept für den Wohlfühlfaktor? Licht und Farbe, das wissen wir nicht erst seit gestern, wirken sich enorm auf die Psyche aus – nicht zuletzt liegt der Planung von öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern usw. deshalb immer ein ausgefeiltes Farbkonzept zugrunde. Architektur nutzt Licht schon seit jeher für sich. Immer häufiger werden bei der Planung gerade von Schlaf- und Wellnessbereichen neben natürlichen auch künstliche Licht- und Farbquellen akribisch durchdacht und bewusst eingesetzt. Übrigens werden vermehrt auch Duftkonzepte in die Planung mit einbezogen, die Auswirkung des Baulichen und all seiner Gestaltungselemente auf sämtliche Sinne berücksichtigt. Dies alles – Licht, Farbe, Duft – kann uns enorm beruhigen oder, wenn falsch gemacht, eben auch aus der Ruhe bringen.

Wie finde ich als Hotel meine USP? Ich denke, man muss sie von vornherein in sich haben und herausfinden, wie sie genau beschaffen sind und wie man sie kommuniziert. Ein Hotel, das sich USP lediglich überstülpt, vielleicht weil die Verantwortlichen meinen, dass etwas gerade in sei, wird heute nicht mehr funktionieren. Man muss leben, was man sich als Säulen auserkoren hat, und das kann man auf Dauer nur, wenn es authentisch ist. Ich muss mich als Gastgeber oder Gastgeberin also fragen: Was entspricht mir, was will ich und vor allem, wer bin ich und was treibt mich an? Nur so kann ich das über Jahre durchziehen, ohne das Handtuch zu werfen. Die Gäste erkennen sehr wohl, was echt ist und was nicht, und kommen entsprechend wieder – oder eben nicht, wenn sie nicht überzeugt werden. Deshalb funktioniert in manchen Häusern ein völlig reduziertes Konzept, während es in anderen viel „barocker“ zugeht. Wenn das Konzept zu den Leuten, die es führen, passt und sie sich damit identifizieren können, ist alles gut.

Wie viel Inszenierung/Spektakel braucht Hotelarchitektur? Es gibt immer entgegengesetzte Tendenzen. Für alle, die sich Opulenz wünschen, gibt es ebenso viele Angebote wie für jene, für die „Less is more“ das einzig wahre Prinzip ist, wobei meiner Meinung nach zumindest in Europa Letzteres definitiv auf dem Vormarsch ist. Unersättlichkeit ist in einer Zeit geringer werdenden Ressourcen nicht mehr zeitgemäß, Protz kann sehr ermüdend sein. Wir werden im Alltag bereits von ständig zu vielen Eindrücken und Inputs komplett erschlagen. Was auf jeden Fall wichtig ist: Das, was ein Haus bietet, muss hervorragend sein, und zwar, was die Qualität der Angebote als auch des Services angeht. Viel Brimborium und wenig Inhalt funktioniert nicht.

Sollte Hotelarchitektur eher rational und funktional oder emotional sein? Kann Architektur ohne Emotion überhaupt funktionieren? Der Idealfall ist das fundamentale Prinzip der Bauhaus-Bewegung: „Die Form folgt der Funktion“. Die Funktion steht ganz klar im Mittelpunkt. Die Devise war zudem Einfachheit und Eleganz. Ich glaube, dass die Form dem Inhalt untergeordnet werden muss, aber das Design muss so kunstvoll sein, dass man dies nicht erkennt. Es soll eine perfekte Synthese sein und am Ende wie die Frage nach dem Huhn und dem Ei paradox werden: Was war zuerst da, Form oder Inhalt? Man weiß es nicht, weil beides Vollendung ist. Dann gibt es den Widerspruch funktional oder emotional nicht mehr, denn die ideale Synthese beider berührt in jedem Fall.

Wann ist für Sie ein Hotel architektonisch gelungen? Wenn diese Synthese aus Form, Inhalt und Funktion Perfektion erreicht. Ich glaube, es war Antoine de Saint-Exupéry, der gesagt hat: „Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann.“

Worauf kann man in der Hotellerie hingegen getrost verzichten? Auf unnötigen Schnickschnack. Alles, was nicht durch Inhalte bzw. Funktion motiviert ist, kann weg.



Im Bild: Adler Historic Guesthouse in Brixen / Fotos: Brandnamic

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