#
Life

The show goes on

8.9.2023

Es ist das schöne Ende eines Kapitels und der perfekte Anfang für ein neues“, sagt Enrique Gasa Valga. So kurz der Satz des ehemaligen Tanzchefs des Tiroler Landestheaters auch ist, so treffend fasst er damit die letzten Monate zusammen. Es waren die vielleicht intensivsten in einem Leben, das von Intensität geprägt ist. Darum will das schon etwas heißen.

Auf den überraschend angekündigten Abschied des langjährigen Tanzdirektors vom neu formierten Landestheater folgten unweigerlich die Fragen: Was dann? Wie weiter? Und wo? Zwischen und neben dem im Sommer ausgelaufenen Engagement am Landestheater und dem Operettensommer in Kufstein, wo Gasa Valga das Musical „Jesus Christ Superstar“ choreografiert hat, war es keine leichte Übung, mit diesen essenziellen und existenziellen Fragen zu jonglieren. „Ja, es war eine sehr stressige Zeit“, sagt er und blickt ein wenig müde, aber lächelnd zu Christian Steinmayr. Der CEO der Steinmayr & Co Insurance Brokers GmbH begleitet Enrique Gasa Valga schon seit vielen Jahren – als Sponsor und vor allem als Freund. Und zusammen ist es ihnen gelungen, mit der Antwort auf all die Fragen eine neue Welt zu erschaffen. „Ja, es war sehr herausfordernd, aber was herausgekommen ist, ist wirklich spannend und sehr schön“, sagt Steinmayr.

Schön spannend

Mit einer emotional geladenen, durchaus epochalen und musikalisch außergewöhnlich umrahmten Tanzproduktion teilen Gasa Valga und Steinmayr das Spannende und Schöne bald mit dem Innsbrucker Publikum. „Lagrimas Negras“ – schwarze Tränen – heißt die erste Tanzproduktion der neu gegründeten Dance Company Enrique Gasa Valgas, die am 8. Februar 2024 im Congress Innsbruck Premiere feiert.

Der Titel „Lagrimas Negras“ ist natürlich kein Zufall, ist er doch die Anspielung auf einen bekannten kubanischen Bolero-Song aus den 1930er-Jahren, der durch den legendären Pianisten Bebo Valdés und den spanischen Flamenco-Sänger Diego el Cigala Anfang der 2000er-Jahre wiederbelebt und weltberühmt wurde. Die Geschichte der legendären kubanischen Pianistenfamilie Valdés bildet auch den dramatischen roten Faden des Stückes und diese Geschichte sprüht regelrecht mit allen großen menschlichen und musikalischen Emotionen. „Zerrissenheit, Trennung, Melancholie und tolle Musikalität“, fasst Christian Steinmayr knackig zusammen. Enrique Gasa Valga holt ein wenig weiter aus: „Bebo Valdés hat die Zeit vor der kubanischen Revolution miterlebt, die Revolution und die Zeit danach. Er musste fliehen und konnte nie zurückkehren.“ Um die Tragweite dieses Schicksals ermessen zu können, ist kein Mojito notwendig – obwohl so ein Cocktail sicher nicht schadet, um die menschliche Tragik zu erfassen – aber auch die Schönheit, die in den musikalischen Wurzeln, Verwicklungen und Explosionen steckt.

Erst 1978, 17 Jahre nach seiner Flucht, traf Bebo Valdés seinen Sohn, den mehrfachen Grammy-Award-Sieger, als kubanischer Mozart des Jazz bezeichneten Chucho Valdés. Mit ihm hat Bebo Valdés 2008 das mit dem Latin Grammy preisgekrönte Album „Juntos para siempre“ aufgezeichnet. Auch Cucurucho Valdés – der Neffe von Chucho und Enkel von Bebo Valdés – hat als herausragender Pianist einen Fixplatz bei den Grammy Awards und in Innsbruck, wo er heuer schon zum zweiten Mal zu Gast war. Bei „Lagrimas Negras“ wird der Enkel Bebo Valdés’ wie ein musikalischer Leuchtturm wirken, der die getanzten Welten musikalisch miteinander verbindet. „Zwei kubanische Bands spielen abwechselnd und auch gemeinsam auf der Bühne. Das ist das Schöne, es wird zu Livemusik getanzt. Auf der Bühne schließen sich viele Kreise – es wird etwas ganz Besonderes“, sagt Christian Steinmayr.

Sehnsuchtinsel

Kuba. Diese großartige, von bizarrer Geschichte geprägte und nahe dem Zusammenbruch stehende Sehnsuchtsinsel in der Karibik spielt nicht nur in der ersten großen Tanzproduktion der neuen Dance Company Enrique Gasa Valgas eine entscheidende Rolle. Irgendwie steht Kuba auch im Mittelpunkt der Kreise, von denen Christian Steinmayr spricht. Schon als Kind war er vernarrt in den Inselstaat und seine Geschichten gewesen, später wurde der Havanna Moon sein Lieblingscocktail und höchst romantisch wurden die Bande, als er seine Frau dort kennen und lieben lernte. Kuba war auch ein Trigger, als er vor rund zehn Jahren Enrique Gasa Valga kennenlernte.

„Frida Kahlo“, eine der hitverdächtigen Tanzproduktionen Gasa Valgas am Landestheater, hatte aufgrund des großen Erfolgs viele Zusatzvorstellungen „bekommen“. Dafür brauchte Gasa Valga unbedingt mehr Tänzer*innen und weil das Budget des Theaters erschöpft war, machte er sich auf die Suche nach Sponsoren. Gasa Valga: „Ich fragte einen Freund, ob er jemanden kenne, der verrückt genug ist, das zu machen. Er sagte, ja, er kenne da jemanden.“ Dieser Jemand war Christian Steinmayr, dessen Unternehmen damals noch recht jung, wohl aber international ausgerichtet und offenkundig offen war für größere Verrücktheiten. „Wir dachten, das wäre für uns eine gute Sache und spezielle Tanzabende etwas, womit wir unseren Kunden eine Freude machen können“, so Steinmayr.

Die beiden Männer haben sich auf Anhieb gut verstanden. „Wir lieben beide Salsa-Musik und Christians Frau ist aus Kuba. Ich habe dort studiert. Das war von Anfang an eine schöne Connection“, sagt Gasa Valga, für den Steinmayr auch ein wichtiges Bindeglied zum Tiroler Tanzpublikum wurde, indem er ihm half, die Tiroler*innen besser kennenzulernen und zu verstehen. Viele Tänzer*innen der Kompanie waren ebenso eingebunden in den bunten Freundeskreis. Steinmayr: „Wir haben viele gute Zeiten zusammen gehabt.“

Als die Zeiten dann wegen der Nachricht, dass Gasa Valgas Vertrag am Tiroler Landestheater nicht verlängert werden würde, schlechter wurden, stand der Tiroler weiter an der Seite des gebürtigen Katalanen und sie überlegten gemeinsam, wie es weitergehen könnte. „In den Gesprächen hat sich schnell herauskristallisiert, dass Enrique nicht aus Innsbruck weg will, was mich als Freund natürlich freute, aber auch eine Challenge darstellte“, erzählt Steinmayr. Eine eigene Tanzkompanie auf die Beine beziehungsweise auf die Bühne zu stellen, war ihnen anfangs als großer Traum vorgekommen, „total unrealistisch“, wie sie betonen. Dann begann Christian Steinmayr zu kalkulieren und zu kalkulieren und irgendwann wussten sie, dass es gehen kann. „Dann haben wir uns entschlossen, mit Vollgas an der Zukunft zu arbeiten“, sagen sie in einem Gleichklang, der schon nicht mehr überrascht.

Zukunftsarbeit

Die Zukunft, an der sie arbeiteten, tanzt und sie heißt Limonada. „Die Idee hatte Christian irgendwann um drei in der Früh. Es gibt da einen Song, in dem es heißt: Wenn es Zitronen vom Himmel regnet, lerne Limonade zu machen“, schmunzelt Gasa Valga, dessen Dance Company aktuell acht Tänzer*innen umfasst und der betont: „Die Tänzer*innen und ich haben viele Produktionen gemacht und sind zusammengewachsen. Der schönste Teil der Geschichte ist, dass die Familie zusammenbleiben und unsere, aber auch die Beziehung zum Tiroler Publikum erhalten bleiben kann.“

Obwohl ihnen aus budgetären Gründen davon abgeraten wurde, wurden die Tänzer*innen fix engagiert, um ihnen Sicherheit zu geben. Der brutalsten Seite der Theaterwelt, in der als „ganz normal“ erachtet wird, dass Künstler*innen nach Engagements ohne Murren die Stadt verlassen, in der sie über Jahre gelebt, dort Wurzeln geschlagen und möglicherweise eine Familie gegründet haben, wird damit ein menschliches Schnippchen geschlagen. „Ich weiß schon, dass Theater eigentlich so funktioniert, doch das ist beinhart“, sagt Steinmayr zu den Schicksalen, die in anderen Berufssparten, Branchen oder Lebenswelten undenkbar sind.

Weitere zwei Tänzer*innen werden derzeit noch gesucht und für große Produktionen ist geplant, die Company anlassbezogen zu vergrößern. Ein Probelokal, in dem die Company ein Zuhause finden, trainieren, proben, unterrichten und kleinere Produktionen vorführen kann, ist das nächste Ziel. „Wenn es bis 1. Dezember 2023 nicht klappt, klappt’s halt später, dann mieten wir etwas produktionsbezogen an“, sagt Christian Steinmayr und verweist damit auch gleich auf den Start der Proben für „Lagrimas Negras“, der mit 1. Dezember 2023 fixiert wurde: „Wir wollen in Zukunft einmal im Jahr eine Premiere in Innsbruck feiern – mit einer großen Produktion, die dann auch tourfähig ist.“ Tourfähig ist ein weiteres Stichwort für Limonada. Für 2023 stehen nach den Aufführungen in Innsbruck zwei Gastspiele in München auf dem Plan, eines in Erl und weil bereits Interesse aus Spanien bekundet wurde und Theater in Italien sich ebenso interessiert zeigen, darf sich die Kompanie wohl auf größere Kreise einstellen.

Neben den neuen Stücken – ob groß oder klein – stehen Wiederaufnahmen von Innsbrucker Erfolgsstücken Gasa Valgas auf der To-dance-Liste der Company. Die Stücke gehören urheberrechtlich dem Choreografen und obwohl er für Neues brennt, sind die Stücke, die das Tiroler Publikum begeistert haben, weit über die Tiroler Grenzen hinaus spannend. So wurde schon fixiert, dass 2024 „The Great Gatsby“ und „Frida Kahlo“ in München getanzt werden. Die Bandbreite an bekannten Stücken ist jedenfalls so groß wie das Potenzial neuer Tanzproduktionen und die tanzinteressierte Welt, für die Enrique Gasa Valga und Christian Steinmayr ein neues Kapitel schreiben. In weiten Teilen ist es auch die Geschichte ihrer ziemlich schönen Freundschaft. „Und es ist eine wunderbare Basis, um in Innsbruck weiterleben und weiter tanzen zu können“, sagt Gasa Valga. Leben und tanzen. Schön.


www.limonada.at


Text: Alexandra Keller

Fotos: Günther Egger, Andreas Friedle

Um diesen Beitrag weiter zu lesen,
bestellen Sie bitte die aktuelle Printausgabe.

Ausgabe kaufen
Mehr erfahren
Hier kommen Sie zur Ausgabe
news.
letter

Newsletter

Mit dem kostenlosen Newsletter keine spannenden Beiträge mehr verpassen!
Pünktlich zum Erscheinen jeder Ausgabe gibt's vier Artikel in voller Länge.
Jetzt ANmelden
alle.
ausgaben
Mehr erfahren
Spezial: Architektur April 2024
04/2024

Spezial: Architektur April 2024

Jetzt bestellen
Online lesen
Wirtschaftsmagazin April 2024
03/2024

Wirtschaftsausgabe April 2024

Jetzt bestellen
Online lesen
Spezial: Lifestyle März 2024
03/2024

Spezial: Lifestyle März 2024

Jetzt bestellen
Online lesen
Wirtschaftsmagazin Februar 2024
02/2024

Wirtschaftsausgabe Februar 2024

Jetzt bestellen
Online lesen
Mehr erfahren
Erstellt von MOMENTUM
schließen