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Life

Blühende Neuausrichtung

9.9.2025

Der Weg in die Landwirtschaft war für die gelernte Drogistin Sandra Leitner keineswegs vorgezeichnet. Der Kösslerhof in Lans hat in den letzten Jahren eine erstaunliche Transformation durchgemacht. Aus dem einstigen Hörndlbauer ist ein Körndlbauer geworden, beziehungsweise ein Betrieb, der hauptsächlich Ölsaaten anbaut und veredelt.
 
Sandra Leitners Vater hat den Hof viele Jahre im Nebenerwerb bewirtschaftet. Zuerst mit Milch-, später mit Mastvieh. Das war 2021 vorbei, als ihr Vater aus gesundheitlichen Gründen kürzertreten musste. Die Tochter, die auch die Ausbildung zur medizinisch-technischen Fachkraft absolviert hat, stand vor der schwierigen Frage, ob sie den Hof weiterführen oder auflassen sollte. Sie hat auch die Ausbildung zur landwirtschaftlichen Facharbeiterin absolviert, als sie 2012 den Hof gepachtet hat. Damals war ihr Vater in Pension gegangen. Nach reiflicher Überlegung hat sich Sandra Leitner mit ihrer Familie für einen Neuanfang ohne Tierhaltung entschieden, dafür mit robusten und genügsamen Pflanzen. „Da wir keine Bewässerung haben, habe ich nach Pflanzen gesucht, die auch mit Trockenheit gut zurechtkommen.“ Lavendel, Hanf und Lein passten ins Konzept. Mit der Tierhaltung konnte sich Sandra Leitner nie wirklich identifizieren. Die Pflanzenwelt ist ihr immer schon näher gewesen.
 
Ausgezeichneter Anfang
 
Die Anfänge waren vielversprechend. „Wir haben 2022 beim Öl-Kaiser der Messe Wieselburg auf Anhieb mit unseren beiden Ölen Gold gemacht und wurden vergangenes Jahr auch in der Schweiz mit Gold ausgezeichnet.“ Eine schöne Anerkennung für die geleistete Arbeit. Ausgezeichnet schmecken muss es aber in letzter Konsequenz den Konsument*innen. Darauf kommt es an, davon hängt der wirtschaftliche Erfolg ab, der darüber entscheidet, ob man einen wirtschaftlich nachhaltigen Betrieb führt oder nur einem teuren Hobby nachgeht.
 
Apropos Nachhaltigkeit: Sandra Leitners Produkte sind allesamt biozertifiziert und auch über die Bauernkiste verfügbar. Die Lanserin ist von dieser Vermarktungsmöglichkeit überzeugt. Es gibt außerdem einen kleinen Hofladen. Unmittelbar neben der Tenne steht ein kleiner, hölzerner Kubus. Darin befindet sich der Automat, aus dem man die Produkte rund um die Uhr abholen kann. Darüber hinaus gibt es dort praktische Rezepttipps zum Mitnehmen, darunter spannende Kreationen wie Sandl’s Eiweißweckerl, Power-Riegel, Hanfdrink, Hanfpesto und Chiapudding. Sandl’s Hof Manufaktur produziert in einer adaptierten Kühlzelle. Dadurch ist die Einhaltung sämtlicher Lebensmittel-Produktionsstandards garantiert. Die Lanserin ist bewusst penibel, was die Produktionsbedingungen betrifft, schließlich steht Sandra Leitner mit ihrem Namen für die Güte der Erzeugnisse ein.
 
Mit Ölsaaten in den Vollerwerb
 
Der Kösslerhof mit Sandl’s Hof Manufaktur ist heute gewissermaßen zum Vollerwerbsbetrieb geworden. Sandra Leitner arbeitet Vollzeit am Hof und ist als Mutter zweier Kinder natürlich auch sonst gut beschäftigt, ihr Mann Elmar unterstützt sie neben seinem Beruf, so gut es geht. „Wenn es hart auf hart geht, dann hilft die ganze Familie mit.“ Das Ölsaaten-Konzept für den Kösslerhof war von Anfang an darauf ausgerichtet, die Pflanzen direkt im Anschluss an die Ernte am Hof zu veredeln. Alles andere hätte wirtschaftlich keinen Sinn ergeben. „Hätte ich das nicht gemacht, wäre es so wie bei Milch und Fleisch gewesen, wo man als Erzeuger relativ niedrige Preise bekommt, während andere die Gewinne machen.“ Bei der Umsetzung des neuen Konzepts geht vieles, aber nicht alles auf. Mit dem Safrananbau ist Sandra Leitner gescheitert, weil die kostspieligen Knollen den Feldmäusen zu gut geschmeckt haben. Dem Rosmarin hat dagegen das Lanser Mikroklima nicht zugesagt. „Auch der Mohn ist eine Diva“, sagt Sandra Leitner.
 
(Ost)Tiroler mit Allüren
 
Die Mohnblüte mag zwar visuell ein wunderbares Schauspiel sein, doch pflegeleicht ist die Pflanze nicht gerade. Der Mohn, den Sandra Leitner ausgesät hat, ist übrigens ein echter Tiroler. Das Saatgut kommt nämlich aus der Tiroler Genbank. Sie ist eine der ältesten der Welt, die momentan über 1.000 Landsorten unterschiedlicher Art erhält. Nimmt man es ganz genau, dann ist der Mohn – wie so manches, das in Nordtirol wilde Blüten treibt – aber ursprünglich Osttiroler. Er ist schön, aber auch anspruchsvoll. Seine Pflege verlangt nach intensiver und zeitaufwändiger Handarbeit, damit nicht das Unkraut Überhand nimmt. „Wir mögen den Mohn aber sehr gern, diese alte Osttiroler Landsorte blüht nämlich nicht klassisch rot, sondern in unterschiedlichen Farbschattierungen, von zartem Pink bis hin zu knalligem Lila“, schwärmt Leitner von der divenhaften Pflanze. Wirtschaftlich ist der Mohnanbau allerdings recht unergiebig, weshalb er künftig eine untergeordnete Rolle spielen dürfte. Ganz anders verhält sich die Sache beim Lavendel.
 
Provinz statt Provence
 
Die ersten Lavendelpflanzen kamen aus Südtirol und Imst nach Lans. Dort fühlt sich der Lippenblütler mittlerweile sichtlich wohl, auch wenn heuer nach anfänglicher Trockenheit und anschließender Schlechtwetterperiode kein herausragendes Erntejahr zu erwarten ist. Der Lanser Lavendel hat übrigens einen anderen Chemotyp als der aus der französischen Provence, dem wohl bekanntesten Anbaugebiet der Welt. Je nachdem, in welcher Region, Klima, Höhe, bei welchem Wetter und auf welchem Boden die Pflanze gewachsen ist, variiert die chemische Zusammensetzung ihrer Öle. Lavendel ist also nicht gleich Lavendel. Aus ihm gewinnt Sandra Leitner neben dem Öl auch Hydrolat, auch Pflanzen- oder Blütenwasser genannt. Es ist vielseitig einsetzbar und hat eine Reihe positiver Wirkungen auf Haut und Wohlbefinden. Das Öl sorgt indes als duftender Aromastoff für Hochgefühle. Als Lebensmittel kann sich die Landwirtin dagegen für die Pflanze nicht so recht erwärmen. „Lavendelsirup und Lavendelsalz schmecken mir nicht. Und alles, was mir nicht schmeckt, will ich auch nicht produzieren.“ Da ist Sandra Leitner kompromisslos. Sie stellt nur Produkte her, von denen sie selbst restlos überzeugt ist.
 
Angstfreier Hanfanbau
 
Überzeugungstäterin ist sie mittlerweile beim Hanf. Dessen Saatgut unterliegt – ebenso wie die aus der Pflanze hergestellten Produkte – übrigens regelmäßigen Kontrollen. Dabei geht es vor allem darum, dass gewisse Grenzwerte nicht überschritten werden dürfen. Tetrahydrocannabinol (THC) ist nicht der einzige, aber bekannteste psychoaktive Inhaltsstoff der Cannabispflanze. Überraschenderweise sorgt der – drogentechnisch übrigens völlig unbedenkliche – Anbau von Nutzhanf auch heutzutage noch für Irritationen, wie Sandra Leitner erfahren musste. Der Hanf ist im Wortsinn eine robuste Pflanze mit äußerst zähen Fasern. Das ist zwar gut, wenn man Textilien daraus machen will, bei der Ernte aber eine Herausforderung. Der kann man gut mit alten und technologisch relativ simplen, aber robusten Mähdreschern Herr werden, wie es auch der Osttiroler Hanfpionier Michael Halbfurter auf seinem Green- Care-zertifizierten Bio-Bauernhof in Dölsach in Osttirol vorgemacht hat. Mit ihm hat sich Sandra Leitner intensiv ausgetauscht. „Michael Halbfurter war so etwas wie unser Mentor. Er hat uns die anfängliche Drogenangst beim Hanf genommen und uns auch auf den Lein gebracht“, erzählt Sandra Leitner. Einen Fixplatz in der Produktpalette dürfte neben Hanf und Lein wohl zukünftig auch die Chia-Pflanze bekommen, die gattungsmäßig zum Salbei gehört und sich in Lans sehr gut entwickelt hat. Heuer hat die Landwirtin noch Flohsamen ausprobiert, die aus der Gattung der Wegerichgewächse kommen.
 
Idealismus und Ökonomie
 
Generell braucht es neben einem betriebswirtschaftlich soliden Zugang auch ein gerüttelt Maß an Idealismus, um in der Nische, die sich Sandra Leitner ausgesucht hat, bestehen zu können. Den Zeitaufwand darf man bei der Kalkulation nicht eins zu eins in die Waagschale werfen. „Als Betrieb müssen wir wirtschaftlich arbeiten, aber die Konkurrenz und der Preisdruck am Lebensmittelsektor sind bekanntermaßen sehr groß“, sagt Leitner. Als gelernte Drogistin hat sie zwar bereits einiges an Vorwissen über die Pflanzen gehabt, wie man sie richtig anbaut, musste sie aber erst lernen. „Man lernt jedes Jahr etwas Neues dazu“, sagt Leitner, die auch am Projekt Alpenhanf 360° der Standortagentur Tirol teilgenommen hat. „Davon haben wir insofern profitiert, als dass auf unseren Feldern exakte Bodenanalysen vorgenommen wurden.“ Heute weiß sie deshalb ganz genau, wie die Lanser Böden beschaffen sind. Jedes Feld ist anders, und damit unterscheidet sich auch der Geschmack der darauf angebauten Pflanzen. „Zur Bewirtschaftung sind mehrere kleine Felder zwar nicht ideal, für die Geschmacksvielfalt ist das aber durchaus ein Gewinn.“ Außerdem ist Sandra Leitner via Alpenhanf zu einem Zirkel Gleichgesinnter gestoßen, die ausprobieren wollen, was die alpinen Böden hergeben und was man aus den angebauten Rohstoffen machen kann.
 
Sandra Leitner ist jedenfalls stolz auf die Produkte, die sie in liebevoller Handarbeit aus den Früchten der eigenen Arbeit herstellt. „Reich wird man davon nicht, aber es bereitet mir Freude, den Pflanzen beim Wachsen zuzusehen und sie weiterverarbeiten zu dürfen.“ Es ist zweifellos wichtig, dass die wirtschaftliche Seite stimmt, aber Zufriedenheit mit der eigenen Hände Arbeit ist gewiss auch nicht zu verachten. www.sandlshof.com
 
Text und Fotos: Marian Kröll

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