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Life

Gastfreundschaft mit Spirit

16.9.2025

Das Ehepaar Stefanie Baumgartner-Gatterer und Manfred Gatterer lebt mit Familie in einem liebevoll restaurierten historischen Bauernhof im Oberlienzer Ortsteil Oberdrum. „Spiritbauernhof“ hat Stefanie Baumgartners Vater den Hof einst genannt, und diese Bezeichnung hat dieser auch behalten dürfen, nachdem die Baumgartner-Gatterers 2019 den Hof übernommen haben. Sie passt zur Umgebung, zum Charme und dem Flair der Örtlichkeit, und die Besitzer können sich damit identifizieren.
 
Kein Zweifel, hier am Hof der Unterpeterers, wie es bei Baumgartners im Vulgonamen heißt, wird der Spirit hochgehalten. „Wir versuchen, dieses historische Erbe auf unsere Art und Weise weiterzutragen“, sagt Manfred Gatterer. Auf dem Hof tummeln sich Gänse, außerdem werden hier Mangalitzaschweine gehalten, die natürlich heranwachsen dürfen. Sind sie schlachtreif, verarbeitet sie der Hausherr weiter. Würste, Speck, Fleisch, Innereien, alles Verwertbare wird veredelt. Nose to Tail eben. Das hat Qualität. Auf der Alm grasen Esel. Kulinarisch spielen sie keine Rolle, obwohl es, wie der gebürtige Südtiroler Manfred Gatterer weiß, dafür in Italien durchaus eine Nachfrage gäbe.
 
Die Familie hat eine Vision. Zunächst hat sie 2020 damit begonnen, sich im Dachgeschoss des Hofes Wohnraum zu schaffen. Danach ist das Erdgeschoss drangekommen. In der historischen Stube, deren Vertäfelung man erst wieder von Tapeten und den dicken Lackschichten befreit hat, die im letzten Jahrhundert modern geworden sind, werden heute Gäste empfangen und nach allen Regeln der Kunst bewirtet. Eine kleine Durchreiche gewährt einen Blick auf die Küche, in der Stefanie Baumgartner-Gatterer emsig werkt. Die gelernte Köchin arbeitet hauptberuflich als Kochlehrerin in einer Schule im Südtiroler Pustertal, wo sie auch ihren „Manni“, der aus Ehrenburg stammt, kennen und lieben gelernt hat.
 
Der Spiritbauernhof der Unterpeterers ist der Familie nicht nur privat zur Heimat geworden, sondern auch (neben)beruflich. Er ist auch ein Gasthaus. Hier werden seit einem Jahr ehrliche, authentische Küche und Gastfreundschaft zelebriert. Die Idee dazu ist über die Jahre langsam herangereift, als die beiden hauptberuflichen Lehrer in den Sommermonaten immer wieder mehrere Wochen auf der Alm verbracht haben. Was lange reifen darf, wird meistens gut. Das ist bei Lebensmitteln und augenscheinlich auch bei Ideen so.
 
Stefanie Baumgartner-Gatterer war es immer ein Anliegen gewesen, dass der heimatliche landwirtschaftliche Betrieb weitergeführt wird. Als konzeptionelles Vorbild schwebt den Unterpeterers ein Agriturismo vor, wie er etwa in der Toskana vorgelebt wird. Das hierzulande gängige Konzept „Urlaub am Bauernhof“ kommt dem zwar recht nahe, trifft es aber doch nicht so ganz. Die Weiterentwicklung des Hofs verlief nicht ganz friktionsfrei, immer wieder wieherte der Amtsschimmel. Für seine unbürokratische Verwaltung ist Österreich nicht bekannt. Derzeit entstehen im ersten und zweiten Stock des Gebäudes drei voll ausgestattete Zimmer mit Dusche und WC. So kann man am Spiritbauernhof künftig auch übernachten. Doch damit nicht genug. In der 40 Quadratmeter großen „Labe“, wie der Flur im Dialekt auch genannt wird, wird eine Küche samt Tafel verbaut. So können sich die Gäste im Spiritbauernhof auch selbst versorgen. Dadurch ist sowohl eine Nutzung als Gästezimmer als auch als Ferienwohnung möglich. Zudem wird es eine Leseecke und einen kleinen Raum für Seminare geben. Dafür setzen die Unterpeterers die alten Möbel liebevoll wieder instand.
 
Schwein und Wein
 
Stefanie Baumgartner-Gatterers Mann Manfred ist Quereinsteiger und hat vor dem Abenteuer Spiritbauernhof weder mit Landwirtschaft noch Gastronomie zu tun gehabt. Seit der Übernahme eignet er sich das notwendige Wissen beharrlich an, hat gelernt, das Schweinerne im Rauch zu veredeln und Brot aus Sauerteig zu backen. Die Nudeln sind ebenfalls hausgemacht. Die Schweine bekommen unter freiem Himmel am Hof einen Eindruck davon, dass das Leben auch für sie schön sein kann.
 
Als Nächstes kommt der Wein dran. Die Reben – es sind derzeit an die 400, es gibt bei Bedarf Platz für mehr – sind gepflanzt, wie die Weintrauben in Oberlienz gedeihen, wird sich zeigen. Die Lage ist gut, der Winzer in spe ist optimistisch. Der Spiritbauernhof hat außerdem ein kleines Brennrecht, ist also im Begriff, auch zum Spirituosenbauernhof zu werden. Manfred Gatterer wird sich, wie es seine Affinität zum Wein nahelegt, zunächst an einem Tresterbrand, auch als Grappa bekannt, versuchen. „Wenn ich Zeit und Muße habe, wird irgendwann Wein ein Thema werden“, verrät Gatterer. Dann wird es, passend zum Hausschwein – das ja eigentlich ein Mangalitza ist – auch einen Hauswein aus Oberdrum geben.


Die Unterpeterers wollen das Erbe der Vorväter nicht nur bewahren, sprich konservieren, sondern dynamisch weiterentwickeln. Die Kombination Landwirtschaft und Gasthaus eignet sich dazu. Essen kann man am Spiritbauernhof Unterpeterer nur auf Vorbestellung. In Absprache mit den Gästen erstellen die Gastgeber einen Menüvorschlag. Anders wäre der Gastbetrieb nicht zu bewältigen. „Wir verarbeiten hauptsächlich unsere eigenen Produkte, möglichst saisonal, ergänzt durch lokale und – maximal – regionale Lebensmittel aus Osttirol“, beschreibt Manfred Gatterer das Konzept, das mit kleinem ökologischen Fußabdruck großen kulinarischen Eindruck hinterlässt. Die Weinkarte bespielt er einstweilen noch mit Tropfen aus den traditionellen Weinbaugebieten Österreichs, Italiens und Frankreichs. „Wir verarbeiten hier nur Lebensmittel, hinter denen wir hundertprozentig stehen“, sagt er. „Wir kochen, was der Hof und die Region hergeben“, pflichtet ihm seine Frau bei.
 
Den Unterpeterers ist es dabei wichtig, auch Nein sagen zu können. Für die landläufigen Wirtshaus-Neoklassiker à la Grillteller mit Pommes frites und dergleichen sollte man sich andernorts umsehen. Wer in der einladenden Stube der Unterpeterers einen Tisch reserviert hat, darf sich jedenfalls der ungeteilten Aufmerksamkeit der Neo-Gastronomen gewiss sein. „Wir verkaufen keinen Tisch mehrfach. Wenn eine Gruppe zu uns kommt, bleibt sie auf Wunsch unter sich.“ Im Herbst laden die Unterpeterers zum Törggelen. „Wir haben selbst Kastanien, Würste und Geselchtes und werden schauen, dass beim Törggelen 90 Prozent der Produkte von unserem Hof kommen“, verspricht der Gastronom. Beim Mehl weicht man derzeit noch auf umliegende Produzenten aus. Auch das könnte sich zukünftig noch ändern. Eigenproduktion ist das erklärte Ziel, dabei wollen die Landwirte und Gastronomen jedoch nicht verbissen oder gar dogmatisch sein. „Wir probieren einmal dieses, einmal jenes und schauen, was uns gelingt“, sagt Stefanie Baumgartner-Gatterer. Das gilt für Obst und Gemüse ebenso wie für Getreide. „Erzeugt jemand in unserer Umgebung ein gutes Lebensmittel, dann beziehen wir es natürlich gerne von dort“, ergänzt Manfred Gatterer.
 
Die beiden lernen nach wie vor ständig dazu. Es hat eine Weile gedauert, bis der Lehrer im Brotberuf gelernt hat, auch den Sauerteig im Zaum zu halten. Bei den Fleischerzeugnissen – geräuchert oder luftgetrocknet – gab es ebenfalls eine Lernkurve. Mittlerweile sind die Gastronomen mit dem Ergebnis glücklich – ebenso wie die Gäste. Manfred Gatterer holt sich Tipps direkt von Expert*innen, etwa beim Rohschinken. „In der Markthalle in Florenz habe ich mit einem 90-jährigen Metzger zwei Stunden über die richtige Rezeptur und Herstellungsweise gesprochen. Der hat sich gefreut, dass ihn jemand fragt, und ich habe mich auch gefreut, dass mir jemand bereitwillig Auskunft gibt.“ Unlängst waren Gäste aus Spanien am Hof zu Gast, denen das Schweinsbratl vom hofeigenen Mangalitza sehr zugesagt hat. Es wurden dabei auch Vergleiche zum Iberico-Schwein gezogen. Überhaupt scheint das Gasthaus internationales Publikum anzuziehen. So waren Gäste aus Schottland ebenso am Hof wie Australier, Italiener oder Deutsche. Gatterer mag die Rolle des Gastgebers, den Austausch mit ganz unterschiedlichen Menschen und ihre Geschichten und auch der Hausherr kann mit Geschichte(n) aufwarten, denn der Spiritbauernhof ist reich davon.
 
Hervorragendes vom Holzherd
 
Manfred Gatterer kümmert sich überwiegend um die Bedürfnisse der Gäste, während seine Frau in der Küche die Speisen zubereitet. Die Hauptrolle spielt dabei der Holzherd. Er stammt aus einem Kloster im Pustertal und steht nicht umsonst im Zentrum der Küche. Elektrische Küchengeräte wie Kombidämpfer und Thermomix spielen höchstens eine kleine Nebenrolle. Stefanie Baumgartner-Gatterer hält große Stücke auf ihren Herd. „Ich liebe es, darauf zu kochen, und wüsste nicht, ob das mit einem Induktionsherd auch so funktionieren würde“, sagt sie. Der Holzherd mit seinen unterschiedlich heißen Zonen ist für Schmorgerichte, die stundenlang im eigenen Saft köcheln dürfen, geradezu prädestiniert.
 
Schnelle Küche ist ohnedies nicht die Sache der Unterpeterers. Sie identifizieren sich mit dem Slow- Food-Gedanken. Die Menüs umfassen mehrere Gänge, sind saisonal ausgerichtet und werden auf Vorbestellung individuell abgestimmt. Für Vegetarier gibt es freilich auch ein Angebot. „Traditionelle bäuerliche Speisen sind vielfach vegetarisch, weil es Fleisch früher nur zu besonderen Anlässen gab“, weiß Manfred Gatterer. In der Pilzsaison stehen natürlich die köstlichen Waldbewohner im Vordergrund.
 
Generell ist die routinierte Küchenchefin flexibel, es wurden auch bereits Veganer kulinarisch verwöhnt und auch auf die Bedürfnisse von Allergikern nimmt man Bedacht. Was auf den Tisch kommt, wird bei der Reservierung ausführlich vorbesprochen. Die Küche ist traditionell und zugleich offen für moderne Einflüsse, eine gelungene Mischung aus Tirolität und Italianità, Rustikalität und Leichtigkeit. Zur Philosophie der Unterpeterers gehört es dabei auch, die Lebensmittelverschwendung zu minimieren. Deshalb feiert das hart gewordene Sauerteigbrot, zu Mehl gemahlen, ein Comeback in der Pasta. So geht Zero Waste.
 
Klasse statt Masse
 
Die Rückkehr nach Osttirol war für die Familie eine Chance, schrittweise ihre lang gehegte Vision zu verwirklichen. Der Südtiroler Manfred Gatterer sieht den Bezirk nicht mit der – zwischen rosarot und tiefschwarz changierenden – Brille des Einheimischen. „Osttirol hat die Chance, andere Wege zu gehen und nicht die Fehler zu wiederholen, die andere, tourismusintensivere Regionen in der Vergangenheit gemacht haben.“ Mehr Klasse statt Masse könnte die Devise lauten. Kleinode, wie der Spiritbauernhof zweifellos eines ist, statt gesichtsloser Bettenburgen, die miteinander in einem ruinösen Preiskampf stehen. Gastlichkeit statt Anonymität. Der Spiritbauernhof ist ein Stein in einem Mosaik, das Osttirol von anderen Regionen abheben kann.
 
Osttirol ist in mancherlei Hinsicht „zurückgeblieben“. Das ist mitnichten abwertend gemeint. Schneller, höher, weiter, das können andere besser. Und bezahlen dafür einen entsprechenden Preis. Es gibt hier noch Raum für Unternehmertum und Nischen, die bespielt werden wollen. „Man muss sich eben spezialisieren“, meint Gatterer. „Dasselbe zu tun wie alle anderen kann nicht der richtige Weg sein.“ Der Neo-Gastronom äußert Unverständnis für eine Frage, die man den Unterpeterers vor allem anfangs öfter gestellt hat: „Warum tut ihr euch das überhaupt an?“ Gatterer führt aus: „Diese Frage hat sich uns gar nie gestellt. Wenn man einen Hof übernimmt, dessen Grundmauern auf das 14. Jahrhundert zurückreichen, der 1809 abgebrannt ist, ist damit auch eine gewisse Verantwortung verbunden. Nur hier zu wohnen wäre sehr unbefriedigend. Dann wäre es besser, in eine Wohnung mit Balkon zu ziehen und zwei Geranien zu gießen.“ So einfach ist das.
 
Die Unterpeterers sind auch davon angetrieben, der nächsten Generation irgendwann einen intakten und wirtschaftlich gesunden Betrieb zu überlassen, an dem man nachhaltig Freude haben kann. In Oberdrum weiß und sieht man: Das Leben ist schön. Darum sollte man es genießen. Man hat nur eins. Das kulinarische Erlebnis am Spiritbauernhof ist zudem auch noch köstlich, die Atmosphäre ungezwungen und die Gastfreundschaft authentisch. Doch davon sollte man sich wohl am besten selbst überzeugen. www.spiritbauernhof.at
 
Text und Fotos: Marian Kröll

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