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Zukunft

Aus der Natur zurück zur Natur

11.2.2022

Die Bionik bzw. bioinspirierte Wissenschaft zeigt, dass das nicht zwangsläufig so sein muss. Der studierte Zoologe und Bioniker Thorsten Schwerte von der Universität Innsbruck zeigt auf, was bioinspirierte Technologie leisten kann, und plädiert dafür, die ethische Dimension immer mitzudenken. 

Dass der Mensch aus den Vorgängen, die er in der Natur beobachtet, lernen kann, ist zunächst einmal nichts Neues. Der Universalgelehrte Leonardo da Vinci versuchte, den Flug des Vogels mittels einer Maschine nachzuahmen. Um tatsächlich abzuheben, war der Mensch allerdings zu schwach, seine Körpermasse im Verhältnis zu seiner Muskelkraft viel zu groß. Auch vor und nach da Vinci nahm der Mensch Anleihen bei der Natur. Die Bionik – ein Kofferwort aus Biologie und Technik – beschäftigt sich mit der Übertragung natürlicher Phänomene auf die Technik. Manchmal wird sie auch als Biomimetik, Biomimikry oder Biomimese bezeichnet. Für den techno- logischen Fortschritt muss man nicht immer das Rad neu erfinden. Interessanterweise gibt es gerade für das Rad kaum Vorbilder in der Natur und es hat die menschliche Fortbewegung geprägt und verändert wie nichts anderes.

Die heutige Bionik sollte allerdings nicht als bloßes Abkupfern von der Natur verstanden werden, sondern eher als durch die Natur angeregtes Neuerfinden. Dementsprechend spricht Thorsten Schwerte, Universitätsprofessor für Zoologie an der Universität Innsbruck und Bionik-Experte, in diesem Zusammenhang lieber von Bioinspiration oder bioinspirierter Technik. Die Natur macht’s vor, der Mensch gewinnt zunehmend die Fähigkeit, natürliche Dinge – modifiziert, teils neu kombiniert und verbessert – nachzuahmen und in allerlei praktische Anwendungen zu überführen. Das birgt nicht zuletzt neue, dringend benötigte Chancen für die Umwelt. 

RAPIDE ENTWICKLUNGSMÖGLICHKEITEN


„Mittlerweile sind viele Produktionsverfahren verfügbar, vor allem in Bezug auf Rapid Prototyping, aber auch in der Optik, die viel Neues ermöglichen“, weiß Schwerte und nennt als konkretes Anwendungsbei- spiel den 3D-Druck von Nanostrukturen. „Das ermöglicht heutzutage Prototypen, die extrem nahe am natürlichen Vorbild sind.“ Davon verspricht man sich vor allem im Bereich der sogenannten smarten Oberflächen sehr viel, obgleich man von der Marktreife noch ein Stück weit entfernt ist. Die Bioinspiration ist die interdisziplinäre Klammer, die verschiedene wissenschaftliche Disziplinen, meist in den Naturwissenschaften angesiedelt, miteinander verbindet. „Alles in der Natur unterwirft sich den Gesetzen der Physik und den Regeln der Chemie. Deshalb ist das, was in der Natur funktioniert, zwangsläufig auch in artifiziellen Systemen eine sehr gute Lösung“, argumentiert Schwerte und folgert: „Bioinspiration bringt uns näher an die Natur heran.“ Sie ist, könnte man ergänzen, eine Hinwendung zum Ursprünglichen, zum Natürlichen. 

Es ist in unserem genetischen Erbe an- gelegt, dass wir als Menschen der Natur – oder besser gesagt unserer Umwelt – einen hohen intrinsischen Wert beimessen. Das „Lesen“ der natürlichen Umgebung und ihre Erfahrung mit allen Sinnen war lange Zeit und vor allem zu Beginn der Menschheitsgeschichte absolut überlebensnotwendig. „Da- zu gehörte es, natürliche Muster zu erkennen. Das hat beispielsweise zur Erfindung der Landwirtschaft geführt“, sagt Schwerte. Und über die Bedeutung der Sesshaftwerdung des Menschen für dessen Zivilisation brauchen wohl keine weiteren Worte verloren werden. Evolutionsbiologisch haben sich immer jene Menschen durchgesetzt, denen jederzeit genügend Energie in Form von Nahrung zur Verfügung stand. „Die Energie steht immer im Zentrum. Sehr viele bioinspirierte Prozesse zeichnen sich durch einen hohen Grad an Effizienz aus“, erklärt Schwerte. 

WIE MACHT ES DIE NATUR?

„Durch die von ihm geschaffenen Systeme hat sich der Mensch von der Natur emanzipiert. Er hat Naturgefahren zu beherrschen gelernt, ist ein Kosmopolit geworden. Heute stehen wir allerdings an der Stelle, dass wir sagen müssen, geht der Trend so weiter, wird es zukünftig Regionen auf der Er- de geben, in denen der Mensch nicht mehr leben kann.“ Und tatsächlich herrscht an Menetekeln wie verheerenden Flutkatastrophen in den vergangenen Jahren kein Mangel. „Dabei kann man in die Natur schauen, wie diese das Phänomen Klima gelöst hat“, regt Schwerte an. Es ist kein Geheimnis, dass die belebte Natur erst durch die hocheffiziente Nutzung von Sonnenenergie zu dem geworden ist, was wir heute kennen. „Das ist die Photosynthese der Pflanzen und es gibt sogar einige Tiere, die Photosynthese betreiben können. Mittlerweile nähern wir uns bei den künstlichen Photovoltaiksystemen dem Wirkungsgrad der Natur an“, sagt der Forscher, der am Institut für Zoologie in Innsbruck mit seinen Kollegen verschiedenen bioinspirierten Fragen nachgeht. Eine davon lautet „Wie klebt die Natur?“. Dabei geht es um die sogenannte Bioadhäsion. Die federführend von Peter Ladurner am Institut durchgeführte Forschung bringt vielversprechende Resultate.

Text: Marian Kröll


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