Der Figerhof in Kals am Großglockner ist ein landwirtschaftlicher Vorzeigebetrieb. Philipp Jans hat den Hof 2008 gekauft und bewirtschaftet ihn seitdem mit seiner Familie. Unbeirrbar, kompromisslos und mit großer Hingabe. Jans ist Überzeugungstäter. Obwohl seine Eltern keinen Bauernhof haben, konnte er sich nie etwas anderes vorstellen, als Bauer zu sein. „Bauer zu sein ist für mich alternativlos, ich habe ein paar andere Dinge probiert, kann mir aber nichts anderes vorstellen“, sagt er. Das gibt es nicht oft.
Landwirtschaft ist besonders in den Alpen harte Arbeit, die nicht ausschließlich maschinell stattfindet. Steile Abhänge müssen noch händisch gemäht werden. Wenn es sogar für die Mähmaschine zu steil wird, wird die Sense ausgepackt. Die ganze Familie packt an, ebenso wie die Angestellten. Der Figerhof ist kein typischer Bauernhof, der heute allzu oft im Nebenerwerb geführt wird. Er ist ein Unternehmen, das auf hochwertige Ziegenmilchprodukte spezialisiert ist. Philipp Jans ist Herr über ein paar Hundert Ziegen. Alternativlosigkeit war es auch, die dafür gesorgt hat, dass sich alles um die Ziege dreht. „Was sonst?“, fragt Jans, der sich zu seinem 10. Geburtstag selbst seine erste Geiß geschenkt hat. Jans’ Liebe zur Ziege ist in den mehr als drei Jahrzehnten, die seitdem vergangen sind, nicht erkaltet. Im Gegenteil. „Meine Leidenschaft zu diesen Tieren nimmt noch laufend zu. Das ist ein Glücksfall.“ Philipp Jans geht immer morgens um fünf Uhr in den Stall und versorgt dort seine Ziegen. Danach gibt es ein gemeinsames Frühstück. Ziegen sind, so wie Kühe und Schafe, Herdentiere. „Bei den Ziegen ist es tatsächlich so, dass jedes Tier seinen eigenen, unverwechselbaren Charakter hat“, sagt Philipp Jans. Und bisweilen einen sehr eigenwilligen. „Es gibt immer zwei, drei Tiere, die sich nicht einsperren lassen. Da heißt es, die Nerven zu bewahren und das hinzunehmen.“ Im Umgang mit den Ziegen ist also Toleranz gefragt.
Wirtschaftlichkeit ist ein nicht zu vernachlässigender Bestandteil der Landwirtschaft. Auch in dieser Hinsicht machen Ziegen eine gute Figur, wie Philipp Jans erklärt: „Die Geiß ist im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht sehr leistungsbereit.“ Die Ziegenmilch vom Figerhof ist ein hochwertiges Lebensmittel. Das hängt auch mit den Lebensumständen der Tiere dort zusammen. Es gibt Gras, Heu und ab und zu ein wenig Kraftfutter. Ziegenmilch unterscheidet sich in Zusammensetzung und Verträglichkeit von der Kuhmilch. Sie enthält mehr kurz- und mittelkettige Fettsäuren, die leichter verdaulich sind, sowie mehr Vitamin A, D und B2. Außerdem ist sie reich an Aminosäuren und kann für Menschen mit Kuhmilchallergie eine Alternative sein. Am Figerhof gibt es ausschließlich Saanenziegen, die sich bestens für die Milchproduktion eignen. Das hat auch wieder mit Wirtschaftlichkeit zu tun. „Es ist für uns eine Herausforderung und auch Verpflichtung gegenüber unseren Kund*innen, das ganze Jahr hindurch möglichst konstant zu produzieren. Mit der Saanenziege ist das möglich.“ Die große, meist ungehörnte Ziege mit dem kurzen weißen Fell stammt ursprünglich aus dem Berner Oberland und gilt als „erfolgreichste Ziegenrasse der Welt“. Die Vermarktung von Ziegen- bzw. Kitzfleisch spielt am Figerhof indes noch keine Rolle. Die Fleischproduktion ist arbeitstechnisch bzw. personell für den Betrieb nicht umsetzbar, weil man sich auf die Erzeugung von Ziegenmilchkäse und -joghurt spezialisiert hat. Dafür hat der Figerhof vor einigen Jahren in eine voll ausgestattete Hofkäserei investiert, die modernste Hygienestandards erfüllt. In der Reifekammer dürfen verschiedene Käsesorten heranreifen. Sie werden täglich gewendet, gewaschen, geschmiert. Das ist Handarbeit, die mit Geschmack belohnt wird.
Zugängliches von der Ziege
Ganz abgehakt hat man das Thema Ziegenfleisch am Figerhof nicht. Das hängt auch mit Theresa Rogl zusammen, die in Teilzeit dort arbeitet. Ist Rogl nicht am Figerhof anzutreffen, kocht sie im Gasthaus ihrer Eltern, dem Braugasthof Glocknerblick in Arnig. Unter ihrer sachkundigen Hand hat der Figerhof bereits mehrmals beim sogenannten „Goatober“ mitgemacht. Der Oktober wird dabei kulinarisch ganz dem Thema Ziegen- bzw. Kitzfleisch sowie Ziegenmilchprodukten gewidmet. „Die Genießer, die sich auf Ziegen- und Kitzfleisch einlassen, sind durchwegs begeistert“, sagt die Köchin. Ein Gericht mit Ziegenfleisch ist schwieriger zu vermitteln als ein Schnitzel. Wer probiert, wird belohnt. „Ich bemühe mich, mit zugänglichen Gerichten wieder mehr Menschen für Ziegenprodukte zu begeistern“, so Theresa Rogl. Genau das gelingt der Köchin spielerisch mit den nachfolgenden Rezepten. Ihren Ziegentopfen-Cheesecake mit Kirschenschaum und Ziegenjoghurteis bezeichnet Rogl ganz bewusst als „Einsteigergericht für Ziegenkäse-Skeptiker.“ Für Skepsis gibt es nicht den geringsten Anlass, ganz im Gegenteil: Der anfängliche Enthusiasmus muss nach dem Probieren des besagten Desserts sogar noch der Begeisterung Platz machen. Feine Sache!
Alles andere ist Käse
Den Auftakt zur mittlerweile ansehnlichen Palette an Ziegenmilchprodukten markierte am Figerhof ein Topfen, den Philipp Jans’ Schwester hergestellt hat. Daraus hat sich das erfolgreichste Produkt entwickelt, die Glocknerkugeln, die unter anderem das Gütesiegel „Qualität Tirol“ tragen dürfen. Diese leicht gesalzenen Kugeln aus frischem Ziegentopfen werden in Gewürzen oder Schnittlauch gerollt, mit Knoblauch verfeinert, eingelegt in Pflanzenöl. Sie sind, aufs Brot gestrichen, genauso ein Gaumenschmeichler wie zum Salat oder pur gegessen. Die Hofkäserei liefert heute konstante Qualität. „Das beginnt beim guten Futter auf dem Feld und setzt sich fort bei der sauberen Arbeit im Stall und der kompetenten Arbeit in der Käserei“, erklärt Jans. Der Figerhof ist also auf einem guten Weg. „Wir sind von der Glocknerkugel über Glocknerspitz, Glocknerkönig und Glocknerlaibchen bis zu Ziegenjoghurt und -topfen gut aufgestellt und haben für jeden Geschmack etwas dabei.“ Eine sehr ansehnliche Menge Ziegenmilch liefert Jans überdies an eine Nordtiroler Molkerei. In der Hofkäserei wird zudem unter der Bezeichnung „Kalsertaler“ auch Bio-Kuhmilch aus der Nachbarschaft verarbeitet.
Regionalität ist Trumpf
Theresa Rogl kocht auch im elterlichen Braugasthof gerne Gerichte rund um die Ziege, darunter eine Vorspeise, die sie „Meckerei“ genannt hat. Dabei handelt es sich um Dinkelbrote, die mit einer Masse aus Ziegentopfen und -käse überbacken werden. Die Ziege macht aber auch beim Dessert durchaus etwas her, etwa als Ziegentopfenknödel oder Ziegenjoghurteis. „Ich versuche in meiner Küche so viele regionale Produkte wie möglich zu verarbeiten“, beschreibt die Küchenmeisterin ihren Zugang. Dabei spielt der Figerhof freilich eine prominente Rolle. Etwa dann, wenn Rogl Brennnesselknödel mit Kräuterrahmsoße kredenzt, in die sie den Glocknerspitz mit Bockshornklee einbaut. Das Gasthaus in Arnig hat diesbezüglich Vorbildcharakter. Leider ist das gar nicht so selbstverständlich. Manche schmücken sich auch gern mit fremden Federn, wie Philipp Jans weiß: „Wir sind auf so mancher Speisekarte prominent vertreten, auch wenn wir keinen Käse dorthin verkaufen. Das ist für uns als Direktvermarkter durchaus eine Herausforderung und – wenn man es zu Ende denkt – eine Täuschung des Kunden. Es gibt aber glücklicherweise mindestens genauso viele positive Beispiele, die nicht nur mit uns werben, sondern unsere Produkte auch kulinarisch verwenden.“
Gerade im höherpreisigen Segment der Gastronomie und Hotellerie will Theresa Rogl von einer erhöhten Preissensibilität nichts wissen. „Ob man nun in der Küche regionale Lebensmittel wie die Ziegenmilchprodukte vom Figerhof verwendet, ist eine Frage der Überzeugung. Darum geht es. Der Preis allein kann dabei nicht das entscheidende Kriterium sein.“ Der Figerhof ist ganzjährig lieferfähig, es gibt für die heimische Gastronomie also prinzipiell keine Ausreden.
Philipp Jans’ derzeitiges Lieblingsprodukt ist der Ziegencamembert. Ein Käse, der viel Fingerspitzengefühl verlangt. „Da braucht es gute Leute wie unsere Käserin Nicole Hermann.“ Philipp Jans hat für seine Mitarbeiter*innen nichts als Lob übrig. Nicht weil er das als kommunikative Pflichtübung versteht, sondern weil der Unternehmer tatsächlich sehr zufrieden ist. „Wir sind sicher kein gewöhnlicher Betrieb, da braucht es Leute, die zu uns passen und – positiv verrückt sind.“ Das gemeinsame Mittagessen aller Familienmitglieder und Angestellten ist Philipp Jans ein Anliegen und für Frau Renate mit den drei Kindern bisweilen eine Herausforderung. „Wir sind ein Familienbetrieb. Das soll man deutlich spüren“, sagt der Ziegenbauer aus Leidenschaft.
Der Figerhof ist kein Alleingang, Phi-lipp Jans kein Alleinunterhalter. Die ganze Familie hilft mit, besonders Jans’ Vater Peter ist von Beginn an in alle Vorgänge am Hof eingebunden. Bedingungslose Leidenschaft für das, was man tut, ist die gemeinsame Klammer, die Theresa Rogl und Phi-lipp Jans verbindet. Der kann, wie er selbst sagt, nur Bauer sein. Und das kann er sehr gut, wie es sich an den Ziegenmilchprodukten vom Figerhof erschmecken lässt. Kulinarisch richtig in Szene gesetzt ergeben sich daraus hitverdächtige Kompositionen. www.figerhof.at
Text und Fotos: Marian Kröll