Tobias Eckert bürstet seine Norikerstute, die vor dem Wirtschaftsgebäude angeleint ist. Der gebürtige Chemnitzer hat lange Zeit in Innsbruck gelebt, ehe ihn der Zufall auf den Kollreiderhof geführt hat, den er seit 2019 im Auftrag der Besitzerfamilie Stuchtey verwaltet und sich auch um die Vermietung der Räumlichkeiten des Hofs, der über 19 Betten aufgeteilt auf vier Zimmer und ein Bettenlager bzw. Panorama-Loft verfügt, kümmert. Als Eckert den Kollreiderhof zum ersten Mal besuchte, war es gewissermaßen Liebe auf den ersten Blick: „Ich wollte gar nicht mehr nach Innsbruck zurück, sondern gleich hierbleiben.“ Und so ähnlich ist es dann auch gekommen.
Eckert nimmt die schöne Herausforderung an, Frau Maria kommt im vergangenen Jahr nach. Mittlerweile hat sich Nachwuchs eingestellt und die junge Familie ist zu dritt. Anfangs ist Eckert auf dem Hof viel alleine. So lernt er das alte, wunderbar sanierte Gehöft bis in den hintersten Winkel ganz genau kennen. Von der Pandemie hat Tobias Eckert nach eigenem Bekunden „nichts gemerkt“ hier oben in Kollreid. Als die Welt eine Vollbremsung hingelegt hat, ist es dort nicht aufgefallen, wo alles ohnehin bereits entschleunigt war. Es ist normal, dass der Hof manchmal von der Welt da draußen abgeschnitten ist. Meistens liegt es an den Schneemengen und den dadurch umgestürzten Bäumen, die die Zufahrtsstraße unpassierbar machen. Im vergangenen, besonders schneereichen Winter hat Eckert seine Einkäufe teilweise auf Tourenskiern erledigt. Anstrengend zwar, aber man wird mit einer schönen Tiefschneeabfahrt direkt vor der Haustüre belohnt.
Die schön restaurierte Stube wird von der offenen Küche aus mittels Holzofen beheizt, im übrigen Gebäude sorgt die nebenan im Wirtschaftsgebäude eingebaute Hackschnitzelheizung für wohlige Wärme. Das Wasser stammt – man ist geneigt zu sagen, naturgemäß – aus der hofeigenen Quelle. Wenn nicht gerade die Besitzerfamilie Stuchtey selbst den Hof nutzt, steht er für Seminare, Freundesgruppen und Familien zum Mieten zur Verfügung. „In der Regel kommen immer größere Gruppen hierher, für weniger Personen ist das Gebäude einfach zu groß“, sagt Eckert, dem freie Hand bei der Verwaltung des Hofs gelassen wird. Außerdem gibt es im Sommer ein Yoga-Retreat. Vom Stadel aus überblicken die Teilnehmer beim Yoga dabei direkt die gegenüberliegende Bergwelt. Ein wahrhaft erhebender Ausblick. Und immer den Duft von Heu in der Nase.
Martin Stuchtey ist Universitätsprofessor, Unternehmensberater und eine Kapazität auf dem Gebiet der Ressourcenproduktivität. Seinen Kollreiderhof hat er einmal als „Feldversuch für Nachhaltigkeit und Ressourcenproduktivität“ bezeichnet. Als dahingehendes Experiment ist wohl auch der Pflanzgarten mit Urapfelbäumen aus Kasachstan, Malus sieversii, gewissermaßen der Urahn unserer modernen Apfelsorten, zu interpretieren. Samen bzw. Jungbäume davon kann man übrigens beim Kollreiderhof beziehen. Dort wurde sogar ein eigener Verein zur Erhaltung des Urapfels und zur Pflege der Artenvielvalt eingerichtet. „Dieser Apfel erzählt die Geschichte, wie wir mit unserem Naturkapital umgehen und offenen Auges im Begriff sind, die Artenvielfalt, die uns sehr viel wert sein sollte, zu verlieren“, sagte Stuchtey in einem Radiointerview. Mit dem Ansiedeln des Malus sieversii am Kollreiderhof will Stuchtey „im ganz Kleinen, Bescheidenen und Privaten wieder zu mehr Diversität zurückfinden“.
Früher, vor der Sanierung, haben die damaligen Besitzer sich fast ausschließlich in der Küche und Stube aufgehalten. „Der Rest des Hauses war staubig, kalt und unbewohnt“, sagt Eckert. Heute ist alles anders. Der Hof wurde 2014 mit dem Tiroler Sanierungspreis in der Kategorie „Wohnhaus bis drei Wohneinheiten“ ausgezeichnet. Die verputzte Fassade mit Kantholzblockbau in den oberen Geschossen ist das Hauptmerkmal des Gebäudes. Die traditionelle Gestaltung und Grundrisseinteilung wurde weitgehend beibehalten, in den Obergeschossen sorgte die Teilverglasung der unverputzten Holzfassade für natürliches Licht. Im Zuge der Sanierung wurden natürliche, lösungsmittelfreie Materialien wie Hanf zur Dämmung und Lehmfarbe im Innenbereich eingesetzt. Die Holzböden würden mit Öl oder Wachs ohne Zusatzstoffe behandelt. Der Mehrwert gehe über eine reine energietechnische Sanierung hinaus und sei ein hervorragendes Beispiel für die Erhaltung und Weiternutzung historischer Bausubstanz“, befand die Jury des Tiroler Sanierungspreises. „Die Sanierung des Kollreiderhofs stellt ein hervorragendes Beispiel für den Umgang und die Sanierung eines Gebäudes unter Denkmal- und Ensembleschutz dar. Obwohl hier energietechnische Verbesserungsmaßnahmen nur punktuell gesetzt werden konnten, gelingt es, den Wohnstandard zu verbessern. Der Einsatz ökologischer Materialien an der Gebäudehülle sowie im Innenraum und der Einbau einer Hackschnitzelheizung fügen sich schlüssig in die ökologische Bewirtschaftung des Hofes”, heißt es in der Würdigung der Jury weiter. Und tatsächlich ist schlüssig genau das Wort, das beim Besuch am Bergbauernhof besonders naheliegend erscheint.
Text und Fotos: Marian Kröll