Bitte bei Glocke ‚Atelier‘ läuten und geradeaus durch die grüne Türe. Champagner für den Kreislauf vorhanden …“ Es war keine Terminvereinbarung wie viele andere. Es wurde kein Gespräch wie viele andere. Heinz Aschenbrenner, Nadja El Manchi und Claudia Haas sind drei komplett unterschiedliche Charaktere – künstlerisch wie persönlich, stark, eigenständig, frei und individualistisch und in all ihrer Verschiedenheit dennoch auf ihre eigene Art harmonisch. Aschenbrenner werkt seit 2008 in seinem Atelier, anfangs noch mit zwei anderen KünstlerkollegInnen, 2010 kam Claudia Haas dazu. Damals waren noch die Jungs von Rolf Spectacles – die mit den Holzbrillen – in den Räumlichkeiten zu Hause. Nadja El Manchi machte das Trio vor rund drei Jahren komplett.
Das Gespräch fand dann tatsächlich mit Champagner statt. Und auf Sesseln von Günther Domenig. Der 2012 verstorbene Architekt ist Heinz Aschenbrenners Taufpate. „Er war einer der wenigen in der Familie, der etwas anderes als Medizin gemacht hat“, sagt der Künstler. Auf Umwegen war er es auch, der Aschenbrenner zum Malen brachte: „Ich hab zum Geburtstag oder zu Weihnachten immer Batman-Autos bekommen, wollte eines Tages aber lieber malen und mit 13 oder 14 Jahren hab ich mir Aquarellfarben gewünscht. Die waren jedoch sehr teuer und bevor sie mir Günther schenken wollte, sollte ich ihm zeigen, was ich so kann. Also malte ich ein Bild, er schaute es an und sagte: Du kriegst keine Aquarellfarben. Sagt’s und fuhr weg. Ich dachte mir, ich male nie mehr wieder in meinen Leben. Diese Episode hat mich sehr geprägt, aber auch meinen Ehrgeiz geweckt. Leider hat Günther nicht mehr erlebt, dass aus mir doch noch ein Künstler geworden ist.“
Nadja El Manchi: Bei mir war es definitiv ein Prozess. Ich habe privat schon sehr lange gemalt und mein Wohnzimmer über die Jahre richtig versaut. Ich male gerne großformatige Bilder und wohne in einem klassischen Altbau mit viel Platz, um zu schütten. Zu meinem 50. Geburtstag habe ich beschlossen, meine Bilder, die ich bis dato nur für mich gemalt habe, öffentlich zu zeigen, und ich durfte sie auf Schloss Ambras aufhängen. Ab da kam eins zum anderen. Der Galerist Bertrand Kass, den ich vom Lions Club kannte, meinte, ich solle doch bei ihm ausstellen. Zunächst wollte ich das nicht, weil ich mir nicht vorstellten konnte, meine Bilder herzugeben. Doch dann ging es ziemlich sprunghaft. Ich lernte Heinz kennen, der mich mit zu einem Seminar zu Hermann Nitsch nahm, weil er meine, die „Kunst muss aus dir raus“. Künstler zu sein, ist also keine bewusste Entscheidung. Man wird es.
Heinz Aschenbrenner: Bei Hermann Nitsch blühte Nadja tatsächlich sehr auf. Ich selbst habe viele Seminare bei ihm besucht und extrem viel daraus mitgenommen. Man meint immer, zu seinen Seminaren wird man nur zugelassen, wenn man per se ein wilder Hund ist. Das stimmt nicht. Nitsch kitzelt aus jedem das Beste heraus. Wir haben es leider nur einmal geschafft, zu dritt auf ein Kunstseminar zu fahren – zu Christian Ludwig Attersee. Das war für uns alle sehr bereichernd. Am meisten vermutlich für Claudia, weil sie von uns dreien seinem grafischen Stil am nächsten ist.
Claudia Haas: Ich bin künstlerisch ein Chamäleon, passe mich dem Stil meiner Lehrmeister an und wechsle daher oft meinen künstlerischen Ausdruck. Ich konnte tatsächlich sehr beim Studium bei Künstler Christian Ludwig Attersee profitieren, weil sich mein Stil stark ins Zeichnerische entwickelt hat. Begonnen habe ich mit expressionistischer Abstraktion, jetzt mag ich es, wenn Bilder Geschichten erzählen.
El Manchi: Niemals!
Haas: Man muss mit Begeisterung dabei und selbst zufrieden sein damit. Es macht mich unzufrieden, wenn mir das Ergebnis nicht gefällt. Dann muss ich von vorne beginnen oder das Bild komplett übermalen. Oft passiert es, dass anderen jene Bilder am besten gefallen, an denen man selbst gezweifelt hat und die man vielleicht gar nicht ausstellen wollte. Deshalb macht es auch keinen Sinn, sich im Prozess darüber Gedanken zu machen, ob das Bild letztlich jemandem gefällt.
Aschenbrenner: Es kränkt mich allerdings auch nicht, wenn einem Betrachter ein Bild nicht gefällt. Wir alle drei sind mittlerweile so erfahren und durften unsere Bilder schon vielfach ausstellen, dass wir mit Kritik umgehen können.
Aschenbrenner: Das ist eine höchst individuelle Frage. Ich denke, dass fast alles erlaubt ist, wenn die Grenzen der Freiheit des Einzelnen nicht überschritten werden. Kunst behandelt die unterschiedlichsten Themen, deshalb ist es wichtig, sie in einen Kontext zu setzen und die Geschichte dahinter zu verstehen. Vor allem verstörende, angriffige oder stark polarisierende Kunst steht meist in einem größeren Zusammenhang und kann nicht losgelöst davon betrachtet werden. Durch die Beschäftigung damit kann man viele Werke besser verstehen und sie vielleicht eher akzeptieren.
Haas: Man sollte Kunst nie oberflächlich betrachten. Es braucht die Beschäftigung mit der Historie des Bildes oder Objektes und der Biografie des Künstlers, weil sonst viel Aussagekraft verloren gehen kann. Alles, was nicht auf den ersten Blick gefällig ist, irritiert uns und gerade dann ist es wichtig, sich mit den Hintergründen zu beschäftigen. Letztlich ist es eine Frage der eigenen Haltung, wie man mit bestimmten Kunstwerken umgeht. Beim bewussten Hinschauen bekommen Bilder oft eine neue Bedeutungsebene und ja, auch eine neue Form der Schönheit und Ästhetik.
Interview: Marina Bernardi
Fotos: Andreas Friedle