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Zukunft

Natürlich bunt

1.6.2023

Am Runway flirren fließende Gewänder in Pastellblau und in Weiß, ineinander gezogen wie aufsteigender Rauch. Die Kollektion stammt von der deutschen Designerin Sophia Wameling. Die Farben von Karin Fleck. Die technische Chemikerin und Gründerin des prämierten und international gefragten Start-ups Vienna Textile Lab forscht und entwickelt natürliche Farben aus Mikroorganismen. Sie sind umweltschonender als herkömmliche Farben, brauchen weniger Ressourcen und sind schadstofffrei. „Mikroorganismen erzeugen im Zuge ihres Stoffwechsels Farben und benötigen – anders als pflanzliche Rohstoffe – keine landwirtschaftlichen Anbauflächen, anderes als petrochemische Farbstoffe verbrauchen sie keine Erdölressourcen“, erklärt Fleck.

Ziel des Biotech-/Fashion-Tech-Unternehmen ist es, Nachhaltigkeit, Sicherheit und Leistung erfolgreich zu kombinieren und eine kommerziell tragfähige Alternative zu synthetischen Farbstoffen und Pigmenten zu schaffen. „Wir wollen die Industrie mit natürlichen Färbemitteln umweltfreundlicher machen, der Industrie helfen, zirkuläre Produkte zu schaffen. Das Interesse aus der Mode- und Textilindustrie war von Anfang an enorm. Mit der geplanten Markteinführung in zwei Jahren wird erstmals ein biobasiertes Färbemittel aus Mikroorganismen am internationalen Markt lanciert“, so die Unternehmerin. Bis dahin laufen Forschung und Entwicklung auf Hochtouren. Zu den Kund*innen des Vienna Textile Lab zählen Fashion- und Luxusbrands wie Kering oder der Baumwollerzeuger Albini. Parallel dazu sind laufend innovative Projekte und Kooperationen mit Forscher*innen, Künstler*innen und Designer*innen am Start, beispielsweise ein Projekt für Ars Electronica mit verschiedensten Playern – dem Vienna Fashion Lab, Designerin Julia Moser, mehreren Universitäten und dem Textilen Zentrum Haslach.

Genau solche Innovationen, interdisziplinäres, agiles Arbeiten, Vernetzung von Forschung, Kunst, Technik und Wirtschaft mit Blick auf Mensch, Gesellschaft und Umwelt sind angesichts sozial-ökologischer Herausforderungen verstärkt notwendig. Kreativität, originelle Ideen, Nachhaltigkeitsaspekte und ein ganzheitlicher Ansatz sind gefragt.

Ansetzen lässt sich hier auch in den Schulen. Mit fast 100.000 Schüler*innen in Tirol und über einer Million österreichweit zeigt sich das Potential für gesellschaftlichen Wandel bei den Jüngsten. Denkt man Schulen als zentrale Lernorte und forschendes Lernen als Treiber für gesellschaftlichen Wandel, kommt auch die Relevanz der Lehrer*innen mit ins Spiel. „Wir sprechen oft von Lehrerinnen und Lehrern als Schlüsselpersonen für die Zukunft. Sie können diesen Wandel vorantreiben. In ihrer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gestalten sie die Gegenwart mit Zukunftsprojekten für eine Zukunft, die noch nicht bekannt ist. Umso wichtiger ist die Vermittlung von Fähigkeiten wie Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken – die sogenannten 21st Century Skills, die in den neuen Lehrplänen ab 2023/24 verstärkt im Mittelpunkt stehen“, so Mag. Dr. Regine Mathies, Rektorin der Pädagogischen Hochschule Tirol, über den Beitrag von Lehrpersonen am gesellschaftlichen-ökologischen Wandel und zu Zukunftskompetenzen.

Biologie, Chemie oder die neuen Fächer „Technik & Design“ sowie „Kunst & Gestaltung“ etwa eröffnen hier enormes Potential. „Uns sollte bewusst sein, und Zukunftsforscher bestätigen diese Annahme ja auch, dass uns die Fächer vielseitige Möglichkeiten bieten, am gesellschaftlichen, kulturellen und technischen Wandel zu partizipieren“, so Maria Mayr, Hochschullehrende im Bereich Kunstpädagogik an der PH Tirol und damit zuständig für die Ausbildung von Lehrpersonen in Tirol.

Die Fächer Technisches und Textiles Werken bzw. Bildnerische Erziehung wurden gerade als „Technik & Design“ bzw. „Kunst & Gestaltung“ neu konzipiert, der neue Lehrplan tritt mit 2023/24 in Kraft. Aktueller Kunst- und Werkunterricht vernetzt die Bereiche Technik und Design mit der künstlerischen Gestaltung des menschlichen und natürlichen Lebensraums, schafft Orientierung in gegenwärtigen und zukünftigen Lebenswelten und stellt kreative, experimentelle, problemlösende Ansätze in den Mittelpunkt. Das Zusammenspiel künstlerischer und naturwissenschaftlicher Zugänge bietet ein ideales Feld, um innovative Prozesse, Technologien und Designvarianten mit Schüler*innen zu entwickeln und gestalterisch-künstlerische Kompetenz weiterzugeben.

Im Kunst- und Werkunterricht können nachhaltige Technologien und Materialien praktisch anwendbar und erlebbar gemacht werden, wo sie sonst oft nur abstrakt erfahrbar werden. „Der neue Lehrplan gibt den künstlerisch-technisch gestaltenden Fächern in diesem Punkt viel Raum und fordert den Einsatz von neuen Technologien und Werkstoffen geradezu ein“, so Maria Mayr. Damit können diese Fächer einen wichtigen Part in der Lehre von Nachhaltigkeitsstrategien, visionärem und kreativen Denken liefern.“ Das sollte der Gesellschaft bewusst sein und die Wertschätzung dieser Unterrichtsfächer auch fördern. Unser Fächer werden oft in der Bevölkerung auf ein bisschen Basteln und Malen reduziert. Wenn man sich den Lehrplan jedoch ansieht, merkt man, dass diese reduzierte Vorstellung völlig daneben greift“, erklärt Mayr.


Material matters

Um innovative und nachhaltige Ansätze noch stärker an Tiroler Schulen zu tragen, organisierte die Kunstpädagogin Maria Mayr mit ihrem Team und in Kooperation mit Tiroler Kultur- und Bildungseinrichtungen sowie der Wirtschaftskammer Tirol die Tagung „material matters. Innovation und Nachhaltigkeit in Materialität, Fertigung und Prozess im Spannungsfeld von Schule, Wissenschaft und Wirtschaft“. Im Zentrum der Großveranstaltung, an der rund 200 Interessierte aus ganz Österreich – vorwiegend Lehrer*innen, aber auch Direktor*innen, Hochschullehrende und Lehramtsstudierende – teilnahmen, standen Innovation und Nachhaltigkeit im Rahmen von künstlerischem und technischem Gestalten und im Spannungsfeld von Schule, Wissenschaft und Wirtschaft. In Keynotes und Workshops wurden Mitte April neue Denk- und Handlungsweisen erfahrbar gemacht und innovative Materialien ebenso wie Fertigungsmöglichkeiten vorgestellt: von Crafting Futures bis zu Nachhaltigkeit in der Mode- und Luxusindustrie, und von elektronischen Textilien oder Visuellem Storytelling bis hin zu Origami im technisch-künstlerischen Bereich.

Karin Fleck vermittelte in ihrem Impulsvortrag mit Gespräch nicht nur eine Geschichte der Farben, Kenntnisse zum Färben mit Mikroorganismen und gab Einblicke in ihre vielfältigen Projekte, sondern teilte auch ihre Ideen für die Anwendung im Unterricht: „Innovationen im Werk- und Kunstunterricht wie biobasierte Farbstoffe können im Rahmen der Materialkunde behandelt werden. Aber es ist das eine, zu vermitteln, woraus Materialien gemacht werden. Die wesentliche Frage ist aber: Woraus SOLLTEN Materialien wie Farbstoffe gemacht werden und welchen Einfluss auf die Wirtschaft und das tägliche Leben haben Zusammensetzung und Herkunft von Materialien.“ Auch Kooperationen von Schulen mit Designern, Biotech-Unternehmen oder Universitäten können spannende Zukunftsprojekte sein. So lernen junge Menschen bereits in der Schule, verschiedene Disziplinen wie Technik und Kunst praktisch zu vernetzen. „Biotechnologie ist ein aufsteigender Industriezweig und die Vermittlung solcher Techniken zukunftsweisend“, so Fleck. Färben mit Bakterien – wie werden Mikroorganismen geimpft, was tut sich im Laufe der Tage in der Petrischale – kann das Interesse wecken. Das vermittelt schon früh einen anderen Aspekt des Mikrokosmos,” ist Karin Fleck überzeugt. Neben Fleck präsentierten auch Künstler*innen und Innovator*innen wie Produktdesignerin Simone Rossmann, Konzept- und Medienkünstler Thomas Feuerstein, Kunstpädagoge Joachim Penzel sowie die Visual Artists Thomas und Martin Poschauko ihre Arbeiten, Ideen, Projekte und Erkenntnisse

„Wir würden uns wünschen, dass die vielen aufgezeigten Möglichkeiten der Vernetzung mit Kooperationspartner*innen in Tirol angenommen wird und sich die Lehrpersonen Ideen und Unterstützung holen, auch direkt von uns“, so Maria Mayr. „Unser neues Programm wird viele Fort- und Weiterbildungen im Bereich, Kunst, Technik und Design anbieten, die die Lehrer*innen kostenfrei nützen können. Angebote gibt es viele.“

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