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Wirtschaft

Zahlen-Kultur

26.10.2021
eco.nova: „Darum lasst uns Menschen sein“ lautet das Motto der aktuellen Landestheater-Spielzeit. Brauchen wir das Theater tatsächlich, um Menschen zu sein?

Markus Lutz: Ja, auf alle Fälle. Insbesondere wegen des persönlichen Kontakts, der dadurch entsteht. Theater lebt nun einmal vom Publikum, ohne das ein Stück nicht vollständig ist. Die Erfahrungen der vergangenen Monate haben uns gezeigt, dass Online-Produktionen – so gut sie auch sein mögen – das Live-Erlebnis einfach nicht ersetzen können. Abgesehen davon braucht der Mensch das Theater auch, um sich selber zu reflektieren und um sich kritisch und vorurteilsfrei mit komplexen Themen auseinanderzusetzen. 


Junges Publikum ans Haus zu binden, war schon vor der Pandemie nicht leicht. Gibt es spezielle Strategien, um Besucher von morgen zu gewinnen? 

Ja. Und das halte ich auch für sehr wichtig. Das Freizeitangebot hat sich in den vergangenen Jahren enorm vervielfacht, die Konkurrenz fürs Theater ist dadurch stark gewachsen. Außerdem werden Abos auch nicht mehr automatisch in der Familie weitergegeben, wie es früher üblich war. Mit dem Beginn der Intendanz von Johannes Reitmeier im Jahr 2012 ist das Kinder- und Jugendprogramm deshalb massiv ausgebaut worden. Wir gehen mit unseren mobilen Stücken regelmäßig raus an die Schulen und bieten ein breit gefächertes Vermittlungsprogramm an, das speziell an den Nachwuchs gerichtet ist. Denn je früher Menschen mit dem Theater in Kontakt kommen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie dem Theater auch im Erwachsenenalter treu bleiben. Parallel dazu bieten wir auch etliche Rabattmöglichkeiten für junge Menschen – etwa die U27-Tickets, die um 40 Prozent billiger sind als im regulären Verkauf und sehr gut angenommen werden. 


Wie hoch beläuft sich aktuell der wirtschaftliche Schaden, der durch Corona entstanden ist?

Wir haben seit Ausbruch der Pandemie einen Verlust von 7,5 Millionen Euro gemacht. Ursprünglich hatten wir mit Stadt und Land eine Ausfallhaftung vereinbart – das hätte bedeutet, dass wir eine Million aus unseren Rücklagen tragen und alles, was darüber hinaus geht, durch zusätzliche Subventionen gedeckt worden wäre. Stadt und Land hätten also eigentlich 6,5 Millionen Euro zahlen müssen, wenn wir nichts getan hätten. Aber wir haben sehr viel gemacht und es dadurch geschafft, diese 7,5 Millionen Euro auszugleichen. Dazu beigetragen hat, dass fast 75 Prozent der 450 Beschäftigten über elf Monate lang in Kurzarbeit waren. Damit konnten wir bei den Personalkosten, die 85 Prozent des Budgets ausmachen, Verluste wettmachen und so alle Arbeitsplätze sichern. Parallel dazu haben wir etliche Hilfszahlungen beantragt und auch aktiv in den Spielplan eingegriffen, um einige Produktionen und damit Kostenblöcke zu verschieben.


Das Große Haus wurde in den vergangenen Monaten auf den neuesten technischen Stand gebracht und damit zum ersten Mal seit 1967 einer großen Sanierung unterzogen. Werden die Zuseher diese Umbauarbeiten bemerken? 

Bei der Beschallung wird das Publikum sicherlich einen Unterschied bemerken: Das neue Dolby-Surround-System garantiert ein völlig neues Sounderlebnis und spielt alle Stücke, was vor allem bei den Musicalproduktionen zum Tragen kommen wird. Viele Erneuerungen, die im Bühnenbereich passiert sind, werden die Zuschauer aber gar nicht realisieren. Aber sie hätten es bemerkt, wenn wir nichts gemacht hätten. Die Maschinerie war zum Teil so veraltet, dass keine Ersatzteile mehr verfügbar waren, und so mancher Rechner war museumsreif. Ohne Sanierung wäre irgendwann gar nichts mehr gegangen. 

Die Qualität eines Hauses sollte sich nicht nur über seine Auslastung definieren. Oder sehen Sie das als kaufmännischer Geschäftsführer anders? 

Natürlich muss ich auf Zahlen schauen, aber ich arbeite ja nicht in der Privatwirtschaft, wo das vordergründige Ziel eine Gewinnmaximierung ist. Als öffentliches Landestheater haben wir einen Kultur- und Bildungsauftrag zu erfüllen, den ich für unglaublich wichtig halte. Deshalb müssen wir es uns auch leisten, schwierige und sperrige Stoffe zu zeigen, die vordergründig keine Verkaufsrenner sind. Aber das kalkulieren wir in unserer Mischfinanzierung mit. Mit den „Cashcows“ können wir Produktionen finanzieren, die nicht so viel Publikum anziehen und trotzdem enorm wichtig sind. Wir bekommen auch deshalb Subventionen, um ein Theater machen zu können, das nicht unbedingt jedem gefällt. Unser Abosystem trägt zudem wesentlich zur Grundauslastung bei und beinhaltet auch weniger bekannte Produktionen.


Sie sind seit Oktober 2015 als Kaufmännischer Geschäftsführer im Einsatz. Ihr Vorvorgänger Harald Mayr war mehr als vier Jahrzehnte mit dem Haus verbunden. Wäre das auch für Sie erstrebenswert? 

Ich fühle mich in Tirol und hier am Haus sehr wohl. Mein Vertrag läuft noch bis 2025, was dann kommt, wird sich zeigen. Ich habe aber auf alle Fälle das Gefühl, dass ich gut angekommen bin. Meine beiden Töchter sind in Innsbruck geboren, ich spiele bei der Stadtmusikkapelle Wilten Trompete und Flügelhorn, gehe gern in die Berge, genieße die Nähe zu Italien und habe den Eindruck, dass meine schwäbische Mentalität ganz gut nach Tirol passt.

Interview: Christiane Fasching
Fotos: Andreas Friedle

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