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Zukunft

Das muss doch besser gehen

6.3.2023

Da sage noch einer, die Generation Z wäre verwöhnt, faul, empfindlich und kriege nichts gewuppt. Patrick Jenewein und Marcel Maffey, Jahrgang 2004 und Schüler der HTL Anichstraße, beweisen mit ihrer Diplomarbeit das Gegenteil. Sie haben mit ihrer Lawinensonde Avalano ein fast marktreifes Produkt entwickelt und nicht nur uns mit ihrer professionellen Präsentation und Eloquenz überzeugt.

Geboren wurde die Idee wie so oft aus einem persönlichen Ärgernis, wie Patrick Jenewein erzählt und dafür ein bisschen ausholt: „Um Schneeprofile zu erstellen, braucht es bestimmte Parameter – einer davon ist die Schneetemperatur. Mein Bruder ist Lawinenbeobachter, ich habe ihn bei Messungen regelmäßig begleitet und wurde dafür abgestellt, eben diese Temperaturen zu messen. Das war relativ mühsam und verhältnismäßig zeitaufwändig und ich dachte mir: Das muss doch besser gehen.“ Also hat er sich gemeinsam mit Marcel Maffey daran gemacht, diese Prozesse zu automatisieren. Zusammen haben die beiden eine Sonde entwickelt, die den Verlauf von Temperaturveränderungen in der Schneedecke autonom erkennt und daraus Daten zur besseren Analyse liefert. Der Name: Avalano.

Der erste Weg führte Jenewein und Maffey fast folgerichtig zum Lawinenwarndienst Tirol, bei dem sie mit ihrer Idee vorstellig wurden und die zu Beginn wohl wichtigste Frage stellten: Kann man so etwas in der Praxis brauchen? Man kann, denn tatsächlich hadern auch Experten mit der aufwändigen Temperaturaufnahme. Da diese allerdings ein wesentliches Element eines Schneeprofiles ist, weil sich darüber unter anderem Rückschlüsse auf die einzelnen Schneeschichten und folglich auch über die Lawinensituation ziehen lassen, kommt man nicht drumherum. Die weitere Entwicklung der Sonde erfolgte infolgedessen in enger Abstimmung mit dem Lawinenwarndienst, der dazu wertvollen Input liefert und – geht es nach den beiden Jungs – das Gerät a la longue selbst im Einsatz haben soll, um Temperaturmessungen rascher und damit häufiger durchführen zu können. Weil der langfristige Plan ist, Avalano auch privaten Tourengehern zu Verfügung zu stellen, haben sich Patrick Jenewein und Marcel Maffey dazu entschlossen, kein neues, eigenständiges Gerät dafür zu kreieren, sondern Bestehendes zu adaptieren, um die Anwendung so unkompliziert wie möglich zu gestalten. „Wir haben bewusst ein Gerät verwendet, das die meisten Tourengeher ohnehin dabeihaben: eine Lawinensonde. Diese wird entsprechend aufgerüstet, man steckt sie ganz unkompliziert in den Schnee, schaltet ein und lässt sie messen.“

Der Prototyp hat vorerst drei Tempertaurentnahmestellen in Form eines Aluminiumrings mit Temperatursensor bekommen, der die Daten an den Header, also die Elektronik am oberen Ende der Sonde, sendet, der diese wiederum an eine eigens programmierte App weiterleitet, die sie einfach und auch für Laien verständlich aufbereitet. Im Endprodukt sollen die Messstellen auf zehn ausgeweitet werden, um noch präzisere Daten zu erhalten. „Wir möchten mit Avalano zwei Dinge erreichen: Wir wollen die Temperaturmessung automatisieren, um sie schneller und einfacher zu machen und es dadurch ermöglichen, dass Messungen öfter durchgeführt werden können, um punktuell bessere Ergebnisse zu erzielen. Auf der anderen Seite sollen über die Zeit Daten gesammelt werden, um in Zukunft anhand der Temperaturverläufe Vorhersagen zur Lawinensituation treffen zu können“, erklären die beiden Schüler. Dem Tourengeher soll sohin ein Tool an die Hand gegeben werden, mit dem er selbst vor Ort die potenzielle Lawinengefahr überprüfen und sich folglich überlegen kann, weiterzugehen oder umzukehren. 100-prozentige Sicherheit gibt es selbstverständlich auch dann nicht, der Berg hat seine ganz eigenen Gesetze, Avalano aber ermöglicht es, einen Einblick in die Schneeschichten unter einem zu haben, die bis dahin einfach nur Weiß waren. „Uns war es vor allem wichtig, dass das Gerät einfach und mit wenigen Handgriffen zu bedienen ist. Wenn wir Avalano einem Tourengeher in die Hand drücken und er weiß nichts damit anzufangen, geht der Sinn dahinter verloren. Wir finden, Avalano ist sehr anwenderfreundlich geworden und in Kombination mit der Lawinensonde macht es vielmehr Sinn als ein zusätzliches externes Gerät“, sagt Maffey. Denkbar wäre auch, Avalano künftig stationär an Wetterstationen zu koppeln, um somit regelmäßig Daten zu senden.


Von der Schule in die Praxis

Entstanden ist Avalano im Zuge der Diplomarbeit. „Wir können uns dabei in einem geschützten Rahmen bewegen und uns ausprobieren. Es ist ja nicht gesagt, dass aus unserer Ursprungsidee tatsächlich ein Produkt wird“, sagen die beiden. Der Zuspruch seitens des Lawinenwarndienstes jedenfalls ist groß. Es kommt nicht von ungefähr, dass man schon seit rund eineinhalb Jahren zusammenarbeitet. „Der Austausch mit dem Lawinenwarndienst ist uns wichtig, wir möchten Avalano so kundenorientiert wie möglich entwickeln. Wir wollen wissen, was potenzielle Nutzer brauchen und passen uns laufend an, damit wir nicht am Ziel vorbeiarbeiten“, sagen die beiden reflektiert: „Avalano ist ein ständiger Entwicklungsprozess und es wird noch eine Weile dauern, bis es getestet und anhand repräsentativer Daten erpropt ist. Zuerst geht es uns darum, dass das Gerät technisch funktioniert, dann schauen wir weiter.“ Das Ziel indes ist klar: Das Ding soll auf den Markt kommen. „Wir haben beide vor zu studieren und würden gerne nebenher ein Unternehmen gründen“, steckt Maffey die Marschrichtung ab. Mit dem Sieg beim 120-Sekunden-Ideencasting der Standortagentur, zu dessen Teilnahme übrigens ein Lehrer geraten hat, geht auch eine Mitgliedschaft beim Impact Hub einher, der unter anderem dabei hilft, Struktur zu finden und Menschen, die einen auf dem Weg begleiten und unterstützen. Auch die Suche nach potenziellen Produktionspartnern hat bereits begonnen. „Im Moment arbeiten wir noch mit dem Equipment aus der Schule, für die Massenfertigung brauchen wir natürlich entsprechende Partner“, so Jenewein.

Das 120-Sekunden-Casting hat den beiden übrigens vor allem bei ihren Präsentationsfertigkeiten geholfen. Erfolgreich, wie wir finden. Maffey: „Es war echt lässig, weil wir viel gelernt haben – auch, was die potenziellen Fragen zu dem Produkt sind und wie wir Avalano auch jenen verständlich erklären können, die damit bis dato nichts am Hut hatten. Wir konnten auch spannende Kontakte knüpfen, die uns künftig hoffentlich weiterbringen werden.“ Der Lawinenwarndienst Tirol hat den beiden außerdem geraten, sich mit der ÖGSL, der Österreichischen Gesellschaft für Lawinen und Schneekunde in Verbindung zu setzen, um die Entwicklung weiter voranzutreiben. Wäre der Lawinenwarndienst selbst nicht vom Produkt überzeugt, wäre das wohl kaum passiert. So gesehen bestehen gute Chancen, dass Avalano tatsächlich am Markt reüssiert.


Text: Marina Bernardi

Fotos: Andreas Friedle

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