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Wirtschaft

Er kam, sah und sägte

26.4.2024

Leonhard Unterrainer ist seit 2010 mit seinem Unternehmen Holzbau Unterrainer in Ainet im Osttiroler Iseltal ansässig. 2006 war der gelernte Zimmerer mit zwei Mann in die Selbstständigkeit gestartet. Die Liebe zum Werkstoff Holz ist ihm gewissermaßen in die Wiege gelegt. „Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und hatte von frühester Kindheit an mit Holz zu tun und habe dem Vater im Wald bei der Holzarbeit geholfen”, erinnert sich Unterrainer. „Damals noch alles nach der alten Schule, ohne Seilwinde, mit Zapin und Schepser.”

Die konstruktive Arbeit mit Holz hat den jungen Mann begeistert: „Zimmerer war immer schon mein Traumberuf.“ Nach der Lehrzeit geht er noch einige Jahre auf Montage, ehe er schließlich sein eigenes Unternehmen gründet. Mit dem Gedanken dazu hat er sich bereits während der Lehre getragen. Irgendwann Mitte der 1990er-Jahre stößt er in einem Buch auf die Abbildung einer Brettsperrholzplatte und ist auf Anhieb fasziniert von den Möglichkeiten, die sich dadurch für den Holzbau ergeben. Bereits seit 2010 produziert Unterrainer nach Anschaffung einer entsprechenden Presse selbst Brettsperrholz. Vom ebenso grassierenden wie gravierenden Fachkräftemangel ist Unterrainers Betrieb bisher verschont geblieben. Das liegt daran, dass sich Unterrainer seine Leute selbst ausbildet. „Wir haben immer acht Lehrlinge im Betrieb”, sagt der Unternehmer. Heute besteht die Hälfte der Belegschaft aus ehemaligen Lehrlingen. „Würde ich nicht selbst ausbilden, hätte ich keine Leute. Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellen als Zimmerer gibt es nämlich so gut wie keine“, sagt er. Die Handwerksbetriebe haben es schwer, sich im Ringen um Arbeitskräfte gegen die wachsende Industrie in Osttirol zu behaupten. Doch das ist eine andere Geschichte.

Innovator und Optimierer

Holzbau Unterrainer hat als Unternehmen zumindest ein Alleinstellungsmerkmal. Brettsperrholz ist ein Massenprodukt, das in der Industrie in riesigen Mengen hergestellt wird. Gebogenes Brettsperrholz gab es allerdings nicht, bis Leonhard Unterrainer sein Radiusholz getauftes, gebogenes BSP mit Radien ab zwei Metern erfand. Die maximalen Maße der Bauteile betragen 13,5 mal 2,95 Meter. Für die gewünschte Biegung sorgt eine Presse, die mit speziellen Druckelementen ausgerüstet ist. Radiusholz gibt es in Fichte, Tanne, Kiefer und prinzipiell sogar der sehr harten Lärche, wobei die Fichte aufgrund ihrer Eigenschaften und Verbreitung ganz eindeutig überwiegt.

Mit seinem Radiusholz wollte Unterrainer aus der industriellen Masse hervorstechen. „Mit einem Mitarbeiter habe ich mir damals überlegt, wie man das Brettsperrholz biegen könnte, und zu Hause im Keller einen ersten Versuch unternommen“, erzählt er. Der Test im kleinen Maßstab hat auf Anhieb funktioniert, also ließ Unterrainer von der Maschinenbau Unterlercher GmbH aus Hopfgarten im Defereggental gleich eine Presse im Großformat anfertigen. Nach Prüfung und Zulassung kam das Radiusholz aus Osttirol auf den Markt, wo es bis heute erfolgreich eine Nische besetzt und weltweit noch immer keine Nachahmer gefunden hat. Besonders für den Hallenbau erwiesen sich die Radiusholz-Platten als Glücksgriff. „Durch den Radius in Verbindung mit Zugstangen erspart man sich sehr viel Material”, weiß der Zimmerer mit dem ausgeprägten Hang zur Innovation. Das kann man in maximaler Ausdehnung in den Hallen am Standort in Ainet begutachten. „Radiusholz ist als Nischenprodukt für uns perfekt, für die Industrie sind die Mengen zu gering“, sagt Unterrainer. In der Architektenschaft kommen die neuen gestalterischen Möglichkeiten, um die gebogenen Elemente das Holzbau-Repertoire erweitern, naturgemäß ebenfalls gut an. In Stuttgart hat Unterrainer unlängst einen Pavillon aus Holz mit ausschließlich organischen Grundrissformen aufgestellt.

Die Coronaviruspandemie hat auch den Holzpreis vorübergehend in lichte Höhen klettern lassen. Das ist vorbei, das Preisniveau hat sich wieder normalisiert, das Zinsniveau ist bekanntermaßen höher als vor 2020. „Der normale Häuslbauer ist dadurch eigentlich komplett weggefallen. Wer das Geld hat, muss aber jetzt bauen, weil die Preise bald wieder steigen werden. Die Nachfrage ist an und für sich riesig, nur hakt es derzeit zinsbedingt bei der Finanzierung“, so Leonhard Unterrainer. Beruhigt sich die Zinssituation, gehen nachfragebedingt die Materialpreise wieder nach oben. Kurz gesagt: Billiger wird das Bauen höchstwahrscheinlich nicht mehr. Leonhard Unterrainer spricht aus Erfahrung, baut er doch seit vielen Jahren Holzhäuser entweder belags-, fassaden- oder sogar schlüsselfertig. Holzbaupreise hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren einige gewonnen, die Gebäude kommen offenbar auch beim Fachpublikum gut an.

Mini-Sägewerk mit großer Leistung

Nach dem Radiusholz, für das Unterrainer 2008 den Tiroler Jungunternehmerpreis bekommen hat, ist dem findigen Zimmerer im vergangenen Jahr ein neuer Coup gelungen, der in der Sägewerksindustrie für Stirnrunzeln sorgen dürfte: Eine patentierte Sawbox, die auf vergleichsweise sehr kleinem Raum vollautomatisiert aus Rundholz Bretter macht. Während ein normales Sägewerk mindestens zwei Hektar Fläche in Anspruch nimmt, reichen Unterrainer mit seiner Sägebox bereits 400 Quadratmeter aus.

Wie kommt es dazu, dass ein Holzbauer ein Kompakt-Sägewerk designt und umsetzt? Die Geschichte der Sawbox beginnt wie die so vieler Erfindungen mit dem Ärger über die herrschenden Zustände. Leonhard Unterrainer hat sich geärgert. Darüber, dass die Liefersituation ab 2021 alles andere als befriedigend gewesen ist und er mit der Ware vorliebnehmen hätte sollen, die man ihm in Zeiten höherer Nachfrage noch liefern konnte und wollte. „Ich war schon immer ein Optimierer. Ich sehe einen Prozess und denke mir, das muss doch besser gehen“, sagt Unterrainer, setzt sich hin, denkt nach und fertigt zunächst ein paar Skizzen an. „In meinem Kopf hat das gleich funktioniert. Danach habe ich die Sägebox mit einem Maschinenbauer visualisiert. Und wenn es am Rechner funktioniert, dann klappt es in der Realität auch“, weiß der innovative Holzbauer. Die Sawbox setzt auf Industrieroboter und marktgängige Rundholz-Schnittoptimierungssoftware. Für den Bau des Prototypen zeichnet wiederum der Maschinenbaubetrieb Unterlercher verantwortlich. „Wir machen auf einem Zehntel der Fläche mit nur einem Bediener das, wofür es in einem Sägewerk ein Vielfaches an Platz und Personal braucht“, sagt Unterrainer. Heute rennen ihm Interessierte in Ainet fast täglich die Tür ein, um sich von der Sawbox im Einsatz selbst ein Bild zu machen. Die Maschinenfabrik Springer aus dem Kärntner Friesach ist aufgesprungen und wird die Sawbox weiterentwickeln und in Serie produzieren. Entsprechende Vereinbarungen sind bereits unter Dach und Fach.

Die Sawbox hat Wellen geschlagen. „Wenn man das System sieht, dann denkt man sich, das ist eigentlich völlig logisch, das geht ja gar nicht anders“, sagt Unterrainer. „Die Kunst ist es, etwas Kompliziertes einfach zu machen.“ Eine Kunst, die der Holzbauer aus Osttirol perfekt zu beherrschen scheint. Dabei kommt ihm zugute, dass er nicht aus der Sägewerksindustrie kommt und daher nicht betriebs- bzw. prozessblind ist. „Zu viel Fachwissen ist der Feind der Innovation“, meint der Holzbauer trocken. Detailverliebt geht er beim Innovieren nicht vor, es geht ihm ums große Ganze. Es ist nur logisch und folgerichtig, dass für einen smarten Holzbauer nicht nur smarte Menschen, sondern auch smarte Maschinen arbeiten. „Die Sawbox arbeitet KI-gestützt und entscheidet bei jedem Baumstamm selbst über den optimalen Schnitt.“ Ausschlaggebend ist dabei nicht die Ausbeute, sondern der jeweilige Marktpreis. Die Schnittbilder variieren nach Marktpreis, möglicher Einschnittleistung und Produktionskosten. Die smarte Säge verfolgt dabei das Ziel, immer den höchsten Ertrag für den Stamm zu erreichen. „Andere maximieren die Ausbeute, wir den Ertrag“, so der Unternehmer. Es braucht wohl nicht extra dazugesagt werden, dass das eine intelligente Strategie ist. Mit der am Dach der Halle installierten PV-Anlage mit einer Engpassleistung von 160 Kilowatt kann die Sawbox tagsüber sogar energieautark betrieben werden. Das macht Leonhard Unterrainers Betrieb noch konkurrenzfähiger. Nachhaltiger könne man ohnehin kaum mehr produzieren, argumentiert er: „Wir kaufen unser Holz in Osttirol ein und verarbeiten es vor Ort weiter zum Endprodukt.“

Es steht zu erwarten, dass das Mini-Sägewerk nicht der letzte Prozess bleiben wird, den Leonhard Unterrainer optimieren wird. Ein potenzieller Kandidat ist diagonal verleimtes Brettsperrholz, das noch einmal belastbarer als herkömmliches ist. Man darf gespannt sein, was dem begnadeten Holzkopf aus Osttirol noch einfällt. Derweil darf man einmal festhalten: Er kam, sah und sägte.


Text: Marian Kröll
Fotos: Martin Lugger, Holzbau Unterrainer

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