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Life

Natur-Arbeit

8.9.2023

Johanna Daum und ihre Schwester Regina haben die Leidenschaft für regionale Lebensmittel quasi in die Wiege gelegt bekommen. Gemeinsam mit Mutter Martha und Vater Peter bewirtschaften sie den 500 Jahre alten Fasserhof in Oberhofen und haben vor zwei Jahren die Marke „Patataria“ ins Leben gerufen, mit der sie die Kartoffel ins Rampenlicht stellen und damit deren Stellenwert heben wollen. Jedes Jahr produzieren sie auf gut einem Hektar Grund rund 30 Tonnen davon. Wir haben mit Johanna über Landwirtschaft im Allgemeinen und Erdäpfel im Besonderen gesprochen.


eco.nova: Was ist für dich das Schöne an der Landwirtschaft? Johanna Daum: Es ist vor allem das Arbeiten in und mit der Natur, das unglaublich viel Freude macht. Auch wenn es oft eine Herausforderung ist, Risiko und manchmal Bedrohung, ist es gleichzeitig etwas sehr Schönes. Die Arbeit erdet – im wahrsten Sinne des Wortes. Zudem ist ein umittelbares Resultat der Arbeit ersichtlich. Man sieht, was die eigenen Hände schaffen, nämlich echte und ehrliche Lebensmittel. Wenn etwas mit so viel Freude gemacht wird, fühlt es sich oft gar nicht an wie klassisches Arbeiten. Man macht halt seine Sache.

Was bedeuten für euch Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit? Arbeiten mit Respekt für das Vergangene, Verantwortung für die Zukunft und Wertschätzung für das Jetzt. Sämtliche Prozesse am Hof, aber auch darüber hinaus müssen ineinandergreifen, damit Landwirtschaft funktioniert. Wir achten auf die Fruchtfolge am Feld, um dem Boden nicht zu viele Nährstoffe zu entziehen, verwenden keinen Kunstdünger und nur Pflanzenschutzmittel, die es wirklich braucht. Wir versuchen damit auch, die Artenvielfalt auf den Feldern zu erhalten, und haben uns für die Auslieferung ein Elektroauto angeschafft. Wir haben vor einigen Jahren eine Photovoltaikanlage installiert, da macht ein E-Auto Sinn. Unser Blick geht klar in die Zukunft, wir vergessen dabei aber nicht auf unsere Wurzeln. In der Vergangenheit wurde die Basis dafür gelegt, wo wir heute stehen. Wir können viel von unseren Vorgängergenerationen lernen und versuchen jetzt, neuen Schwung hineinzubringen. Ich denke, dass es in der Landwirtschaft generell darum gehen muss, weiterzudenken. Das Alte, wenn man es so nennen mag, hat durchaus seinen Platz und ist wichtig, doch man muss den Mut haben, Neues zu wagen.

Warum gerade Erdäpfel? Die gab es immer schon am Hof. Wir halten Milchkühe und bauen Erdäpfel an. Mit der „Patataria“ möchten wir der Kartoffel den Stellenwert geben, den sie verdient, und sie auch jungen Leuten schmackhaft machen. Es ist in unseren Augen einfach ein supertolles Produkt und entspricht heute mehr denn je dem Zeitgeist. Sie wächst lokal und wird CO2-arm hergestellt, weil sie im Grunde direkt weiterverarbeitet werden kann, sobald sie aus dem Boden kommt. Sie ist ein sättigendes und gesundes Lebensmittel und unglaublich vielseitig – ob pikant oder süß, in der traditionellen oder modernen Küche. All das wollen wir wieder in Erinnerung rufen.

Denkst du, wäre für dich das Arbeiten in der Landwirtschaft auch ein Thema gewesen, wenn du nicht „hineingewachsen“ wärst? Das ist schwer zu beantworten, ich denke aber nicht. Generell glaube ich, dass es heute schwierig ist, zumindest im Vollerwerb von null auf mit der Landwirtschaft zu beginnen, weil es eine entsprechende Infrastruktur braucht – vor allem aber auch das Mindset dafür. Die Arbeit kennt so gut wie keine Pause, mit Ausnahme der Wintermonate, wo es auf den Feldern und Äckern ruhig ist. In der Viehhaltung gibt‘s sowieso kein „Heut mag ich nicht“. Wenn man das nicht gewohnt ist oder von klein auf kennt, könnte es schwierig sein, dort hineinzufinden. Landwirtschaft ist Leidenschaft. Es besteht eine enorme Wetterabhängigkeit und es kann meist nie lange im Voraus geplant werden. Das muss man mögen. Das Arbeitspensum ist enorm, das ist einem selbst als Landwirtin oft gar nicht bewusst. Als wir mit der Patataria gestartet sind, haben wir versucht aufzulisten, wie viele Arbeitsstunden tatsächlich in den Kartoffelanbau fließen, und uns ist ganz anders geworden – die Maschinenwartung oder Vorbereitung des Verpackungsmaterials sind nur zwei von den Tätigkeiten, die genauso zum Anbau gehören. Zusätzlich fallen bürokratische Aufgaben, Social-Media- und Websitebetreuung oder die Buchhaltung an. All diese Zeit lässt sich dem Produkt nie und nimmer 1:1 aufrechnen. Dann würde eine Kartoffel unbezahlbar. Ist man nicht mit Herz und Seele Landwirt*in, tut man sich das vermutlich nicht an. Es gibt natürlich Beispiele, wo das wunderbar klappt, im Allgemeinen dürfte es aber schwer sein. Deshalb finde ich es ganz wichtig, eine Balance zwischen der Liebe zum Tun und der Wirtschaftlichkeit zu finden. Landwirtschaft soll keinesfalls „nur“ ein teures Hobby sein.

Wo liegen für dich die größten Herausforderungen in der (näheren) Zukunft und wie geht ihr damit um? Ein großer Punkt ist sicher die Distribution. Es muss den Konsument*innen so einfach wie möglich gemacht werden, landwirtschaftliche Produkte zu erwerben. In der näheren Umgebung stellen wir nach Hause zu. Das ist aufwändig, vor allem, weil auch die Bestellmengen weniger werden. Die jungen Konsument*innen kaufen heutzutage keinen 25-Kilo-Sack auf Vorrat, wie es früher normal war, und sich wegen drei Kilo Kartoffeln ins Zustellauto zu setzen, ist wenig wirtschaftlich. Eine Möglichkeit ist zum Beispiel ein anonymes 24/7-Take-away direkt am Hof. Das ist bereits vielerorts umgesetzt – auch bei uns – und wird gerne angenommen. Ein Weg sind auch Hofläden, die von mehreren verschiedenen Betriebe mit unterschiedlichen Lebensmitteln bestückt werden. Davon gibt es mittlerweile zahlreiche und die funktionieren auch gut. Oftmals kann dort auch bestellte Ware abgeholt werden, wenn es direkt zum Hof zu weit ist. Dafür braucht es folglich einfache und unkomplizierte Bestellmöglichkeiten über die Website oder WhatsApp. Man muss die Konsument*innen dort abholen, wo sie sind, und ihnen entsprechende Angebote machen.

Ist der Preis bei euch ein Thema? Natürlich. Man kann dem Konsumenten wie gesagt nicht die gesamten Kosten aufrechnen und muss gleichzeitig wirtschaftlich bleiben. Deshalb ist es wichtig, klar und transparent zu kommunizieren, wie viele Arbeitsschritte hinter jedem einzelnen Produkt stehen. Kann man beim Konsumenten das Bewusstsein dafür wecken, hat er auch mehr Verständnis für die Preisgestaltung. Wir versuchen deshalb auf Social Media regelmäßig Einblicke in unser Hofleben zu geben. Auch um der Preisfrage positiv zu begegnen, sind Kooperationen zwischen Landwirten sinnvoll – etwa in Form von gemeinsamer Maschinen-Anschaffung, einem gemeinsam betriebenen Onlineshop oder gemeinsamer Auslieferung bis hin zum gemeinsamen Bewirtschaften eines Hofes nicht nur innerfamiliär über Generationen, sondern eventuell sogar in Partnerschaften außerhalb der Familien. Damit würde sich auch das Arbeitspensum auf mehrere Personen verteilen.

Wie sehr beeinflusst euch der Klimawandel? Das ist eine Herausforderung. Das letzte Jahr war zum Beispiel sehr trocken. Wir versuchen daher laufend, unser Bewässerungssystem zu verbessern. Einige unserer Äcker liegen in der Nähe des Inns, da ist es von Haus aus feuchter und ein unmittelbarer Zugang zu Wasser gewährleistet. Andere Flächen werden mittels Tiefbrunnen bewässert, und vermutlich wird es in Zukunft nötig werden, noch weitere Brunnen zu schlagen. Aktuell wird auch versucht, hitzeresistentes Saatgut zu entwickeln. Wir sind gespannt, wie es hier weitergeht.


www.patataria.at


Interview: Marina Bernardi

Fotos: Patrick Steiner

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