
ParityQC ist ein gemeinsames Spin-off der Universität Innsbruck und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, das das Innsbrucker Quanten-Ökosystem seit 2020 bereichert. Geleitet wird es von Magdalena Hauser und Wolfgang Lechner, die bevorzugt, wenn nicht sogar ausschließlich, im Tandem für die richtige Außendarstellung ihres Unternehmens sorgen. „ParityQC ist das einzige Quantenarchitektur-Unternehmen der Welt und hat zum Ziel, Europa im Quantencomputing an der Weltspitze zu halten“, hieß es in einer Presseaussendung der Universität Innsbruck im vergangenen Jahr. Hier wird zumindest schon einmal nicht tiefgestapelt. Wir haben den Gründer gefragt, ob diese Aussage so noch stimmt. „Wir entwickeln Baupläne für Quantencomputer und entsprechende Algorithmen“, sagt Wolfgang Lechner. Er ist Universitätsprofessor am Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck. „Wir sind weder ein Hardware- noch ein Softwareunternehmen, sondern ein Architekturunternehmen“, sagt er, um im selben Atemzug zu bekräftigen: „Damit sind wir die Einzigen auf der Welt.“ ParityQC ist demnach tatsächlich konkurrenzlos, und Lechner zeigt sich durchaus optimistisch, dass das auf absehbare Zeit so bleiben wird. In Innsbruck sei in der Vergangenheit sehr viel Pionierarbeit in der Quantenforschung geleistet worden. „Jetzt befinden wir uns in einer Phase, in der der Wettbewerb um die Quantentechnologie zunehmend kommerzialisiert wird“, so Lechner. Normalerweise gerät in genau dieser Phase Europa, vor allem gegenüber den USA und China, ins Hintertreffen. So hat man es in der Vergangenheit bereits bei anderen neuen Technologien, die zwischenzeitlich zu Schlüsseltechnologien avanciert sind, beobachten müssen. Leider.
Die Kommerzialisierung des Quantencomputings
Heute wird ordentlich Geld in die Kommerzialisierung der Quantentechnologie gesteckt. Da weniger, dort mehr. Da ist Europa, dort sind die USA und China. Hardwareseitig sind Unternehmen im Rennen um die Massenmarkttauglichkeit des Quantencomputers, die – wie Wolfgang Lechner es formuliert – „sehr tiefe Taschen“ haben. Darunter Krösusse wie Google-Mutter Alphabet, IBM und einige mehr. „Wer da mithalten möchte, muss irgendwann in dieses finanzielle Rennen einsteigen“, beschreibt Lechner die Ausgangssituation. Das ist aus der üblicherweise risikoaversen europäischen Perspektive ein wenig so, wie mit einem Maultier zum Pferderennen zu kommen. In puncto finanzieller Ressourcen wird man gegen Big Tech in der Tiroler Landeshauptstadt kaum ankommen. Bei ParityQC ist man sich dessen bewusst. „Unsere Strategie ist es, uns nicht als Konkurrent dieser Unternehmen zu positionieren, sondern als Zulieferer einer kritischen Komponente, konkret der Systemarchitektur“, erklärt Lechner. „Hardwareproduzenten können unsere Architektur und unsere gesamte IP lizenzieren“, ergänzt Co-CEO Magdalena Hauser.
Im Gegensatz zu Olympia, wo entgegen anderslautender Behauptungen Dabeisein keineswegs alles ist, sieht Wolfgang Lechner genau darin die richtige Strategie für Europa. Es geht ein Stück weit darum, sich mit dem hierzulande erarbeiteten Wissen rund um die kleinsten Teilchen unverzichtbar zu machen. Kaufangebote sind nicht ausgeblieben, es ging noch vor Firmengründung los damit, nachdem Lechner 2015 gemeinsam mit Philipp Hauke und Peter Zoller an der Universität Innsbruck bzw. am IQOQI (Institut für Quantenoptik und Quanteninformation Innsbruck) einige aufsehenerregende Patente angemeldet hatte. „Wir haben dankend abgelehnt und stattdessen selbst eine Firma gegründet“, erinnert sich Lechner. Und mit eben dieser Firma, ParityQC, ist man Europa und den Wurzeln in Innsbruck treu geblieben. „Wir sind eines der wenigen Quantenunternehmen, das profitabel ist“, sagt Magdalena Hauser. Seit 2023 schreibt man nach eigenem Bekunden schwarze Zahlen. Der erste Kunde, die japanische NEC Corporation, konnte gerade einmal zwei Wochen nach Unternehmensgründung an Land gezogen werden. „Wir haben von Anfang an Produkte verkauft“, sagt Magdalena Hauser. Von der Patentanmeldung bis zur Gründung des Unternehmens sind rund fünf Jahre ins Land gezogen. Einerseits könnte man meinen, dass ein Schnellschuss anders aussieht, andererseits hat es nicht einmal fünf Jahre gedauert, um aus einem fundamentalen mathematischen Prinzip ein marktfähiges Produkt zu entwickeln. „Das wäre in jedem anderen Bereich außer der Quantenphysik undenkbar“, weiß Lechner.
Zu gut, um wahr zu sein
In der Führungsebene des Unternehmens herrscht mit dem Duo Hauser und Lechner Geschlechterparität. Und Parity ist zugleich der Kern der IP des Innsbrucker Spin-offs. Eine genaue Beschreibung der Funktionsweise der Quantenarchitektur überstiege sowohl das Platzangebot als auch das Denkvermögen des Autors. Hier nur so viel: „Unser Ansatz ist eine fundamental andere Art, Quantencomputer zu bauen“, sagt Wolfgang Lechner. Das Zustandekommen des zugrundeliegenden mathematischen Patents ist einigermaßen kurios. „Es handelte sich ursprünglich um eine Idee aus der Kategorie ‚Too good to be true‘, und binnen kürzester Zeit haben wir auch bewiesen, dass sie nicht funktionieren kann. Aus irgendeinem Grund habe ich aber weitere eineinhalb Jahre daran geforscht.“ Die wissenschaftliche Neugier – oder Sturheit – Lechners wurde belohnt. Heureka! Nicht die Idee war falsch gewesen, sondern der Beweis, mit dem sie widerlegt wurde. Retrospektiv hat sich das als absoluter Glücksfall erwiesen, weil Lechner nie mit jemandem aus der Quanten-Community darüber gesprochen und es auch keine Lehrveranstaltungen dazu gegeben hat. „Deshalb konnten wir unseren Durchbruch überhaupt erst patentieren.“ Die Gründung von ParityQC verdankt sich folglich wissenschaftlichem Eifer – und einer gesunden Portion Glück.
Generalschlüssel
Normalerweise ist es ja so, dass erst eine „Killerapplikation“ einer neuen Technologie zum Durchbruch verhilft. Beim Quantencomputer ist es umgekehrt. Zuerst gab es die Killerapplikation, und erst danach wurde am Computer geforscht, der damit etwas anfangen kann.
Der Mathematiker Peter Shor veröffentlichte 1994 den heute nach ihm benannten Shor-Algorithmus. „Damit lässt sich die gängige Kryptographie aushebeln“, sagt Lechner. Den Impact dieser Anwendung kann man erahnen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass alle schützenswerten Daten heutzutage irgendwie verschlüsselt und damit – vermeintlich – sicher sind. Die Entwicklung eines Quantencomputers, der mit dem Shor-Algorithmus performant umgehen kann, ist eine große Sache. Eine Sache der nationalen, internationalen, ja globalen Sicherheit. Dementsprechend sind auch Regierungen daran interessiert, diese Technologie zu besitzen. Naturgemäß wird unter höchster Geheimhaltung und hinter verschlossenen Türen dazu geforscht. Man braucht also nicht auf entsprechende Presseaussendungen und Erfolgsmeldungen zu warten. Die Frage, ob heute gängige Kryptographieverfahren durch Quantencomputer obsolet werden könnten, quittiert Lechner mit einem knappen „Ja.“ Die Behörden sind alarmiert, an quantensicheren Verschlüsselungsverfahren wird bereits gearbeitet. Der Übergang zur Post-Quanten-Kryptografie soll in allen EU-Mitgliedstaaten bis Ende 2026 beginnen, kritische Infrastrukturen sollen spätestens jedoch bis Ende 2030 umgestellt werden. In Sicherheit wiegen sollte man sich davon nicht lassen, sagt Wolfgang Lechner: „Wir sollten generell davon ausgehen, dass alles, was wir digital machen, völlig offen ist. Wer eine E-Mail schreibt, sollte sie so formulieren, dass sie auch in der Zeitung stehen könnte.“
Quanten-Hausverstand
Nun tun sich die meisten Menschen schon einigermaßen schwer damit, die klassische, newtonsche Physik zu begreifen. Bei der Quantenphysik ist dann endgültig das Ende der Fahnenstange erreicht. Das wird sich auch mit der zunehmenden Verbreitung von Quantencomputing nicht fundamental ändern, argumentiert Magdalena Hauser: „Ich gehe nicht davon aus, dass jeder Anwender plötzlich Quantenmechanik verstehen wird. Quantencomputer werden sich eher inkrementell in unser Leben einschleichen.“ Zunächst dürften sie in großen Datenzentren eingesetzt werden, wo sie Aufgaben schneller und energieeffizienter lösen können, als das mit heutigen Supercomputern möglich ist. Das, was technisch möglich ist, deckt sich nicht immer mit dem, was der Markt nachfragt. Das gilt auch für den Quantencomputer und dessen konkrete Anwendungen. Ein mögliches Gebiet, auf dem dieser umrühren könnte, ist die Chemie. „Chemische Vorgänge sind quantenmechanische Vorgänge“, sagt Lechner. Auch für die Lösung sogenannter globaler Optimierungsprobleme eignet sich der Quantenrechner. Das würde auch ökonomisch so richtig Wind machen, könnte man damit doch beispielsweise Verkehrs- oder Warenflüsse gesamthaft optimieren.
Wagnisbürokratie
In Europa ist Venture Capital knapper bemessen als in den Vereinigten Staaten, wo man weit weniger risikoavers ist. Das erleichtert es nicht gerade, von hier aus zu skalieren. Dennoch gibt es von den CEOs ein starkes Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort. Mit den ökonomischen Vorzügen des österreichischen Steuersystems und den verschachtelten Ebenen der Bürokratie hat das wenig zu tun. „Es gibt viele persönliche Gründe für uns, hier zu bleiben“, sagt Wolfgang Lechner. Dankbarkeit könnte man einen davon nennen: „Ich bin hier aufgewachsen, habe, vollständig staatlich finanziert, die Schule und Universität besuchen dürfen. Das wäre wahrscheinlich an kaum einem anderen Ort der Welt möglich gewesen.“ Er findet es moralisch nicht richtig, der Ausbildungsstätte und Heimat den Rücken zu kehren, wenn es gut läuft. Das ist Loyalität. Langfristig wird es aber bedeutend zu wenig sein, die Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandorts an der Heimatverbundenheit innovativer Menschen aufzuhängen. Das ist keine Strategie. Die finanziellen Möglichkeiten in den USA könne man „mit dem Faktor 1.000 multiplizieren“, meint Lechner. Doch es ist längst nicht alles schlecht.
ParityQC war in der glücklichen Lage, bei der letzten Kapitalbeschaffung zwischen ausländischen und österreichischen Kapitalgebern wählen zu können. Die österreichische B & C Innovation Investments (BCII), ein Unternehmen der B&C Gruppe, ist bei einer international wettbewerbsfähigen Bewertung in das Unternehmen eingestiegen. „Das ist eine sehr positive Ausnahme zum europäischen Normalzustand gewesen“, streicht Magdalena Hauser die Bedeutung dieses Einstiegs hervor. Von einzelnen Lichtblicken abgesehen fällt ihr Urteil über die Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandorts eindeutig aus: „Wir haben in Europa eine Bürokratie, die unerträglich ist, um ein Unternehmen zu skalieren.“ Wachstum ist zwar auch in Europa möglich. Einfach ist es nicht. Mittlerweile ist ParityQC neben Innsbruck auch in Hamburg, London und Paris mit Niederlassungen vertreten. Das ist betriebswirtschaftlich notwendig, weil staatliche Förderungen üblicherweise an den Standort gebunden sind und die Europäer diesmal sichergehen wollen, dass die IP, das geistige Eigentum, in Europa bleibt. Vergnügungssteuerpflichtig ist das nicht. „Viermal Arbeitsrecht, viermal Steuerrecht, viermal Gründung, vier unterschiedliche Risikoprofile durch unterschiedliche Gesellschaftsformen“, zählt Hauser auf. Am einfachsten und unbürokratischsten sei die Firmengründung im Vereinigten Königreich gewesen. „Wären wir in den USA angesiedelt, sähe das Unternehmen heute sicher ganz anders aus.“ Vermutlich größer und noch dynamischer. Aber das ist hypothetisch. „Europa“, hofft Hauser, „hat dazugelernt und weiß, dass Quantum Computing ein extrem wichtiger Faktor für die Zukunft ist.“ Europa müsse dabei nicht alles alleine machen. Es reiche, die „Missing Links“ in der Quantentechnologie bereitzustellen, glaubt sie. Technologieführerschaft muss der Anspruch sein, darunter darf es Europa diesmal nicht machen. Wer vorangeht, ist nicht in Gefahr, den Anschluss zu verlieren.
Exzellenz als Pull-Faktor
Derzeit arbeiten rund 60 Menschen aus 16 Nationen für ParityQC. „Wir haben ein fantastisches Team und konnten Forscher*innen aus der ganzen Welt begeistern, bei uns anzufangen“, sagt Magdalena Hauser. Sie will sich nicht festlegen, wohin die Reise in personeller Hinsicht geht. „Wir brauchen so viel Exzellenz, wie wir bekommen können.“ Wolfgang Lechner freut sich, dass das Unternehmen den besten Köpfen im Feld etwas bieten kann, was sie weltweit in dieser Form kaum irgendwo finden. Wegen der hohen Tiroler Lebensqualität kommen diese Menschen nicht hierher. Sie rangiert bei den Kriterien unter „ferner boten“ und dürfte als Standortfaktor allgemein überschätzt sein. „Die Lebensqualität bei uns ist sehr gut, aber das ist für diese Leute nicht das Ausschlaggebende. Sie genießen es, mit anderen exzellenten Leuten zu arbeiten. Wir haben einen Ort geschaffen, an dem man als Physiker exzellent arbeiten kann“, sagt Lechner, der diesbezüglich eine „kritische Masse“ überschritten sieht. Das Unternehmen ist als Arbeitgeber gefragt. „Wir haben über 1.400 Bewerbungen im Quartal und stellen zwei bis drei Personen ein“, sagt Hauser. Fachkräftemangel herrscht hier also nicht. ParityQC kann aus dem Vollen schöpfen.
Hype und Anti-Hype
Der Quantencomputer kann signifikant Rechenzeit einsparen, mit AI und der Gralssuche nach der Artificial General Intelligence (AGI) sollte man ihn aber nicht in einen Topf werfen. Damit würde man Dinge vermengen, die nicht viel miteinander zu tun haben. Der AI-Hypetrain läuft derzeit unter Volldampf, nicht auszuschließen, dass er schon bald entgleist, weil kein AI-Unternehmen auch nur annähernd den Profit abwirft, den der Börsenwert verheißt. Beim Quantencomputing werden kleinere Brötchen gebacken. „Quantum hat viel zu wenig Hype“, ist Lechner überzeugt. Zum einen, weil Regierungen aus Sicherheitsinteressen kein großes Aufhebens davon machen. Zum anderen, weil auch die großen Player in Big Tech zwar investieren, sich aber auch eher schmallippig zeigen. Die ParityQC-CEOs sind von den ständigen Vergleichen zwischen Quantencomputing und AI mittlerweile einigermaßen genervt. Sie sind sich allerdings darin einig, dass der Quantencomputer durchaus noch mehr Hype vertragen könnte. Patente allein immunisieren nicht dagegen, kopiert zu werden. Man muss es sich erst einmal leisten können, auf der ganzen Welt juristisch gegen Patentverletzungen vorzugehen.
Was zur Unnachahmlichkeit des Tiroler Spin-offs beiträgt, ist das hervorragende Ökosystem aus Quantenforscher*innen, in das es eingebettet ist. Es wächst und gedeiht auf dem Boden, den Quantenkoryphäen in Innsbruck bereitet haben. Die Architektur von ParityQC – sie ist das Hauptprodukt – hat den großen Vorteil, dass sie unabhängig von der Hardware auf allen Plattformen lauffähig ist. Es ist Magdalena Hauser und Wolfgang Lechner folglich einerlei, welche Hardware sich im Rennen um die Massenmarkttauglichkeit durchsetzen wird, weil man jedenfalls die richtigen Produkte in petto hat. „Innsbruck ist global ein Leuchtturm in der Quantenphysik“, sagt Wolfgang Lechner. Hier gibt es Exzellenz, so wie es in der überschaubaren Quanten-Community noch so etwas wie echten Pioniergeist gibt. Man kann sich noch an den Erfolgen anderer erfreuen, weil sie das gesamte Feld voranbringen. Mit der fortschreitenden Kommerzialisierung nimmt naturgemäß der Wettbewerbsdruck zu und der Teamspirit ab. Es geht um Geld. Viel Geld. Mit ihrem Unternehmen tragen Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser dazu bei, dass Innsbruck ein guter Boden bleibt, wenn es um die kommerzialisierte Anwendung der jahrzehntelangen Grundlagenarbeit geht. „Die Rahmenbedingungen sind, wie sie nun einmal sind. Wir können nicht den Wind ändern, sondern nur unsere Segel entsprechend ausrichten“, schließt Wolfgang Lechner. Und er hofft, dass Europa in der Quantentechnologie mit einem „Sputnik-Effekt“ noch einmal ein großes ökonomisches Lebenszeichen sendet. Magdalena Hauser hat noch einen anderen Wunsch: Weniger Round Tables und mehr Mut zum Risiko. Denn wer nichts wagt, kann auch nichts gewinnen.
Text: Marian Kröll
Fotos: ParityQC, Günther Egger

